Buchkritik: Fast schon der gute Mensch von London
Anthony McCarten reflektiert in „Der englische Harem“ die Multi-Kulti-Gesellschaft.
<strong>Düsseldorf. Eigentlich hat Cat Stevens an allem Schuld. Ihn verehrte sie schon als Kind. Dann nannte sich der Musiker Yusuf Islam und trat zum Islam über. Nur eine Frage der Zeit also, bis die junge Tracy es ihm nachmachte. So einfach erklärt sich Tracys Vater ihr Interesse an dem fremden Glauben. Dass ein Mann dahinter steckt, auch noch ein Perser, der bereits mit zwei Frauen verheiratet ist, erfährt er erst später. Der Schock sitzt umso tiefer. Auf der Suche nach einem neuen Job landete die 22-jährige Tracy nämlich im iranischen Restaurant von Sam, einem sympathischen Mittvierziger. Er hat es im multikulturellen London zu etwas gebracht: Sein Restaurant läuft gut und er bewohnt ein schönes Haus - mit zwei Frauen und drei Kindern. Tracy, genervt von der Enge ihres eigenen ärmlichen Heims bei ihren Eltern in einem heruntergekommenen Hochhaus, ist fasziniert: von der fremden Religion, dem Islam, der schillernden Kultur, der ungewöhnlichen Lebensform - und schließlich von dem Mann selbst, der eigentlich viel zu alt für sie ist. Erst beim Blick hinter die Fassade stellt Tracy fest, wie einsam Sam wirklich ist. Denn sein "Englischer Harem", so der Titel des neuen Romans von Anthony McCarten, ist längst nicht das, was andere sich vorstellen. Das merkt Tracy, als sie selbst dort als Ehefrau Nummer Drei einzieht.
Blick hinter die Fassade eines Einwandererlebens in England
Bald schon beginnen die Probleme. Nicht nur, dass die Sozialbehörden im Privatleben der Familie herumschnüffeln und sich um das Wohl der Kinder in diesem Haus der Polygamie sorgen. Auch Tracys Exfreund kann den Verlust nicht verkraften.
Anthony McCarten: "Englischer Harem", Diogenes, 582 S., 21,90 Euro.
(WZ-Wertung: 2 von 5 Sternen)