Nischenprodukt Deutsche Kinderliteratur auf Arabisch

Germersheim (dpa) - Das eintönige Leben des Herrn Taschenbier in Paul Maars Kinderbuch „Eine Woche voller Samstage“ stellte Mahmoud Hassanein einmal vor eine große Aufgabe. Der Ägypter übersetzte die Geschichte, aus der vielen vor allem das „Sams“ im Gedächtnis geblieben sein dürfte, schon vor einigen Jahren ins Arabische.

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Seit etwa drei Jahren melden sich bei Hassanein nun vermehrt Verlage, die deutsche Geschichten ins Arabische übersetzen lassen wollen oder zweisprachige Kinderbücher auf Deutsch und Arabisch herausbringen wollen. „Der Anlass ist eigentlich die sogenannte Flüchtlingskrise“, sagt der 35-Jährige, der am Arbeitsbereich für Interkulturelle Germanistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim forscht und lehrt.

Bei vielen Verlagen bleiben solche Vorhaben aber im Planungsstadium. Die Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) sieht deutsch-arabische Kinderliteratur zwangsweise als ein Nischenprodukt. „Die Nachfrage besteht in wirklich homöopathischen Dosen“, sagt Renate Reichstein.

Zwar sei nach dem Zuzug vor allem syrischer Flüchtlinge die Diskussion unter Verlagen wieder aufgeflammt, dass für deren Kinder Bücher benötigt werden - wie bei Kindern türkischer Einwanderer vor Jahrzehnten. Aber man bekomme die Eltern und Bezugspersonen nicht in den Buchhandel. Das Produkt ist für die Verlage nicht wirtschaftlich.

Dabei könnten die Bücher den Kindern helfen: „Für sie ist wichtig, dass sie ihre Heimatsprache, ihre Familiensprache gut können. Das heißt, ein syrisches Kind muss Arabisch gut können“, sagt Reichstein. „Und es muss gleichzeitig Deutsch gut können, um sich hier zu integrieren und am schulischen Angebot teilnehmen zu können.“

Auch Mahmoud Hassanein musste mit beiden Sprachen jonglieren, um „Eine Woche voller Samstage“ zu übersetzen. Eine Schwierigkeit lag in der Wocheneinteilung des Herrn Taschenbier: „Am Sonntag schien die Sonne, und am Montag kam Herr Mon zu Besuch. Herr Taschenbier hatte am Dienstag Dienst, und am Mittwoch, wie immer, war Wochenmitte. Donnerstag donnert es, und Freitag bekam Herr Taschenbier frei und musste nicht arbeiten. Und dann kam der Samstag und mit ihm das Sams.“

Paul Maars Verknüpfung deutscher Wochentagsnamen mit ähnlich klingenden Ereignissen hatte seit der Buchveröffentlichung 1973 bewirkt, dass Generationen von Kindern Herrn Taschenbiers Wocheneinteilung im Gedächtnis haften blieb. Doch Hassanein konnte Maars Verknüpfungen in seiner Muttersprache nicht einfach imitieren.

Das Problem: Die geläufigen Wochentagsnamen lauten im Arabischen nämlich recht nüchtern „der Erste“ (für Sonntag), der „der Zweite“ (für Montag), „der Dritte“ (für Dienstag) und so weiter. So schöne Verknüpfungen wie im Deutschen sind da nicht möglich. Hassanein musste eine Lösung suchen.

Zum Glück hatte der gebürtige Ägypter schon damals reichlich Erfahrung: „Ich war eigentlich viele Jahre ein glücklicher Fachübersetzer“, sagt er. Mit 18 Jahren hatte er in Kairo begonnen, Deutsch zu lernen, bald übersetzte er Bedienungs- und Betriebsanleitungen für die deutsche Industrie. Kinderliteratur begegnete ihm während des Aufbaustudiums, für das er an die Uni Mainz kam, genauer gesagt an den Fachbereich für Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft auf dem Germersheimer Campus. Ein Dozent drückte ihm „Das war der Hirbel“ von Peter Härtling in die Hand und sagte „Es wird dir gefallen und du wirst es übersetzen“, erinnert sich Hassanein.

Die nächste große Aufabe war dann die Übersetzung von Paul Maars Klassiker. Und Hassanein fand die Lösung, indem er alte arabische Wochentagsnamen benutzte. Montag heiße zum Beispiel Ahwan, erklärt Hassanein. Was auch ein Personenname sein könne. So lasse sich dieser Wochentag im Arabischen mit einem Besuch von Herrn Ahwan (alias Herr Mon) verknüpfen, erklärt Hassanein. So konnte Hassanein - mit dem zusätzlichen Handgriff der zur Geschichte passenden Einführung der alten, etwas vergessenen Wochentagsnamen - andere Verknüpfungen herstellen, die für arabisch-sprachige Kinder aber ähnlich funktionieren wie Maars Original für Kinder in Deutschland.

Die Herausforderung für Hassanein bei der Übersetzung des Maar-Klassikers war keine wirtschaftliche, sondern eine sprachliche. Die Verlage arbeiten aber wirtschaftlich, erklärt Reichstein. Die avj geht deswegen auf potenzielle Geldgeber zu, die sich engagieren möchten.

Auch beim Bundesfamilienministerium liegen mittlerweile ausgewählte Publikationen mehrsprachig vor, wie eine Sprecherin mitteilt. So wurde kürzlich das Bilderbuch „Spiel, Spaß und neue Freunde: Lina und Nuri in KITA & Co.“, das sich an Familien richtet, deren Kinder noch keine Kita besuchen, mit arabischer Schrift veröffentlicht.