Hörbuch: Hier wird die Zeit zum Raum
Einen Boom sondergleichen hat die Branche in den letzten Jahren erlebt. Aber nicht nur finanziell, sondern auch künstlerisch.
Düsseldorf. Hörbücher haben eine einzigartige Karriere in Deutschland erlebt: Sie haben sich nicht nur zum Shootingstar der Branche entwickelt mit Umsatzsteigerungen von bis zu 30 Prozent. Vielmehr haben geniale Macher in ihnen das entdeckt, was sie sein können, nämlich eigenständige Kunstwerke. Als herausragende Beispiele können die von Peter Mati gelesene Edition von Marcel Prousts Großroman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" gelten und der Roman "Doktor Faustus" von Thomas Mann, nunmehr dargestellt als veritables Hörspiel.
Beides sind Produkte des führenden deutschen Branchenhauses Hörverlag aus München. Für die Herstellung bedient man sich stets professioneller Partner, Radio Berlin Brandenburg, Sender Freies Berlin oder Hessischer Rundfunk. Sie verfügen über erstklassig ausgestattete Studios und Aufzeichnungstechnik. Die Umwandlung eines Romans in ein Hörspiel, also in einen Film ohne abgelichtete Bilder, der dennoch die Illusion der Sprache nicht verfehlen soll, verlangt zudem einen erfahrenen Regisseur. Und für den "Faustus", der vom Tonsetzer Adrian Leverkühn erzählt, ist auch noch ein Komponisten vonnöten, hier Hermann Kretzschmar, der auch Pianist des Ensemble Modern ist. Er schafft für dieses Werk enorm sinnliche, atmosphärische Klangräume.
Dies brauchen die zweiten Partner des Verlags, allesamt die erste Garde an Schauspielern. Ein Hörbuchproduzent muss Künstler finden, denen man die Sprache ohne Bühne anvertrauen kann, damit sie auch ohne Bilder zum Kosmos der Fiktion wird. Und dies ist im "Doktor Faustus" erstmalig mustergültig gelungen. Nicht nur dank Musik und Regie, sondern vorrangig dank der Sprecherriege mit unter anderem Hanns Zischler (Serenus Zeitblom), Traugott Buhre, Michael Mendl, Ulrich Noethen, Matthias Habich. Dieses Hörspiel übertrifft jeden potenziellen Film, hier wird die erzählte Zeit zum bildmächtigen, suggestiven Raum, den die Schauspieler schaffen, indem sie erzählend gestalten.
Was Peter Mati solo mit der "Verlorenen Zeit" ebenfalls gelingt. Ent- und Verführung - dafür besitzt der vor 70 Jahren in Wien geborene Schauspieler und Synchronsprecher mit dem hinreißend gedehnten und so walzerisch musikalischen Wiener Dialekt die absoluten Vorraussetzungen. Man hört den magischen Kuss der Mutter, riecht den Duft der Weißdornhecke, schmeckt die Madeleine, als säße man nicht in Combray, sondern im Wiener Kaffeehaus.