Ahab zeigt es: Wir sind gewarnt!

Michael Simon bringt Melvilles „Moby Dick“ auf die Bühne.

Köln. Selbst in Köln schwärmen einige Zuschauer noch davon. Als Michael Simon vor sieben Jahren im Düsseldorfer Schauspielhaus "Shockheaded Peter" herausbrachte, landete er den Knaller der Saison. Insofern waren die Erwartungen hoch. Und Michael Simons Bildidee zu Ulrich Hubs Stück "Ich, Moby Dick" nach dem Roman von Herman Melville ist zunächst bestechend.

Bühne und Zuschauerraum in der Halle Kalk werden von einem riesigen Gitternetz umschlossen; rechts und links dräuen zwei ‚Augen’, am Ende der Bühne klafft ein Maul, durch das eine Schiffs-Silhouette erkennbar ist. Das Geschehen wird also in Rückblende von den gefressenen Matrosen im Bauch des Wals erzählt. Dementsprechend vertraut Ulrich Hub die Erzählung der Geschichte um Kapitän Ahab und seine Jagd auf den weißen Wal nicht dem Matrosen Ismael an; er löst den Bericht des Überlebenden in einen Stimmenchor der sieben Hauptfiguren auf. Michael Simon hat sie ausschließlich mit Frauen besetzt, womit das Pathos dieser Männerstory um menschliche Hybris ironisch gebrochen wird.

Zunächst sieht man die Frauencrew am Wal/Schiff werkeln. Alle tragen lindgrüne, futuristische Grundanzüge mit individualisierenden Kostümteilen (Kostüme: Ana Bonjak). Steuermann Starbuck (Eva Spott) wagt noch als einziger Widerspruch und bedroht den schlafenden Kapitän mit einer Pistole. Mit Paddel und Südwester treibt der Maat Stubb (Anja Herden) die Rudergruppe voran. Harpunier Queequeg (Kertin Dathe) mit knochendurchbohrtem Zylinder ersteht aus dem Sarg wieder auf.

Eingeschworen und in Schach gehalten jedoch wird die raubeinige Gang von Kapitän Ahab mit Dreispitz und Mantel, den Ariane Andereggen mit überspitztem Wahn spielt. So spannend der als "Familienstück" deklarierte Abend beginnt, so schnell erschöpft er sich in einer vorhersehbaren Reigenstruktur.

Zwar wird der Walfang in einer kleinen Badewanne mit blutigem Wasser demonstriert und Ahab in einem Auge des Wals gezeigt, wie er im andern Auge auftauchende Schiffsbesatzungen nach dem weißen Wal befragt. Doch es bleibt weitgehend Erzähltheater, das die Vorgänge nur selten in Handlung auflöst.

Erst wenn die Jagd auf den Wal beginnt, zieht Simon alle Register. Während die Musik (sehr gut: Achim Fink, Verena Guido und Bernd Keul) heftig vorantreibt, peitscht der Sturm in grünlichem Licht Nebelwolken übers Deck. Die Matrosen hängen an gestrafften Seilen, der kleine Maat saust an der Hallendecke entlang.

Ahab steht als düsterer Rächer im Maul des Wals - bis die Katastrophe alle verschlingt. Alle, bis auf einen: "Ich, Moby Dick" lauten die letzte Worte, die den Triumph der gequälten Natur bekräftigen. Wir sind gewarnt. 90 Minuten, keine Pause, Auff.: 1., 2., 4.-8. Dezember, Karten: 0221/221-28400.