"Eine Gedankenmusik für Henri Michaux" im Düsseldorfer Schauspielhaus: Die Phantasie bekommt Beine
Choreograf Joachim Schlömer inszeniert Henri Michaux.
Düsseldorf. "Eine Gedankenmusik für Henri Michaux" so lautet der schöne Untertitel des Abends, den der Choreograf Joachim Schlömer am Düsseldorfer Schauspiel zeigt. Was muss man sich darunter vorstellen? Synapsen beim Streichquartett? Oder doch eher ein zerebrales Ballett? Henri Michaux (1899-1984) gehört historisch eigentlich in den Umkreis der Surrealisten. Doch nach der Übersiedlung nach Paris schloss sich der frühere Matrose lieber Malern wie Klee und Max Ernst an als dem Surrealistenpapst André Breton.
1930 erschienen Michaux’ Miniaturen "Ein gewisser Monsieur Plume". Sie erzählen von der absurden Welterfahrung des Titelhelden; doch diese Attentate auf die Realität waren zu leichtfüßig-skurril, um Breton zu genügen. Auf der Bühne des Kleinen Hauses ist ein dunkel vertäfeltes Restaurant zu sehen (Jens Kilian, Regie: Joachim Schlömer), mit Tischen, Schiebetür und Anrichte. Vorn sitzt Monsieur Plume (Horst Mendroch) und berichtet mit stoischem Ernst von einem Gastmahl mit Hammelzungen und Erstickungsanfällen.
Unversehens verstummt er: Aus dem Hintergrund schieben sich unbeteiligte Gestalten hervor. Eine Firmenbesitzerin im Abendkleid (Anke Hartwig) führt einen jungen Missionar (Denis Geyersbach) an der Lustleine, bis er unter heftigen Zuckungen erschossen wird. Ein Millionär mit Stetson und Cowboystiefeln (Michael Abendroth) erzählt von der Schwierigkeit des Köpfeabreißens, assistiert von einem versoffenen Kapitän (Pierre Siegenthaler).
Es sind Figuren, die aus den Geschichten, aus Michaux’ Biographie oder, wie der Anarchist mit Sombrero aus der Ikonographie der Avantgarde-Bewegungen destilliert sind. Ihre kleinen Geschichten wirken wie die leibhaftig gewordenen Gedanken des Plume. Eine Verselbstständigung der Phantasie, die allerdings mit der Zeit monoton wirkt, weil ihr die Rückbindung an die Realität fehlt.