Festival im Iran: Das Theater-Schaufenster zum Westen
Eine Reise mit dem Theater Mülheim an der Ruhr zum Fadjr-Theaterfestival nach Teheran.
<strong>Teheran. Der Morgen ist jetzt der Mittagshelle gewichen. Eigentlich bedeutet das Wort "Fadjr" Licht oder Morgenröte. Doch das gleichnamige Teheraner Festival ist längst keine Weihe des revolutionären Aufbruchs mehr, als die es vor 25 Jahren gegründet wurde. Es hat sich zu einer selbstbewussten Leistungsschau des iranischen Theaters mit Schaufenster zum Westen gemausert. Seit man 1999 auch ausländische Gruppen ins Programm integrierte, zeigt man nicht nur, was man kann, sondern empfiehlt sich auch für Gastspiele. Regelmäßiger Gast des Festivals ist das Theater Mülheim an der Ruhr und Regisseur Roberto Ciulli.
Diesmal reiste er mit "Dantons Tod" von Georg Büchner und "König Lear" von Shakespeare an. Zum offiziellen Ritual gehört, dass ausländische Truppen sich der Zensur stellen müssen, ob sie denn auch iranische Regeln wie Kopftuchzwang und Tanzverbot für Frauen oder Berührungsverbot der Geschlechter einhalten. Paradox, dass in "Dantons Tod" sich kein Zensor auch nur einen Deut um die Anspielungen auf Revolution oder Tugendterror scherte.
Eine Reise in den Iran zerstört viele Vorurteile. Ob sie nun die Zensur oder die Politik betreffen, die bei weitem nicht so monolithisch ist, wie es hier scheint. Oder die Jugend, die sich als ungeheuer gebildet, neugierig und westorientiert entpuppt. Zugleich ist man traditionsbewusst, weiß um die 3500-jährige persische Kulturtradition. Doch im Gespräch wird oft eine leise Resignation und Müdigkeit angesichts ständiger offizieller Gängelung spürbar.
Zwar werden auf Privatpartys Prohibition und Beziehungsverbote für Unverheiratete konsequent unterlaufen. Doch die Flucht in die Ironie ist unübersehbar: Junge Iranerinnen kommentieren das Verrutschen des Kopftuchs mit dem bissigen Spruch "Islam in Gefahr!" Das Theater fungiert dabei als Ventil. Weniger jedoch als Forum der Kritik denn als Ablenkung. So präsentiert sich das Festivalprogramm als buntes Teheraner Allerlei zwischen Komödie, Mythischem, Familienstück, Boulevard, Körpertheater und Performance.
Einzig Stücke über Kriegstraumata bilden eine Konstante. Im Querschnitt wirkt das oft ästhetisch antiquiert: Einfühlungstheater mit abgewetzten Dramaturgien in billigen Bühnenbildern - was wohl an den schwierigen Produktionsstrukturen liegt.
An der Spitze aber kann das iranische Theater mit dem Westen mithalten. Hinreißend "Dädalus und Ikarus" des jungen Regisseurs Homayoun Ghani Zadeh, bei der Vater und Sohn sechzig Minuten lang mit Schweißbrenner, Witz und viel Action an einer Flugmaschine basteln.
Nicht minder eindrücklich und beklemmend die "Torment Symphony" des Regisseurs Hossein Pakdel über einen Folterer, der sein Opfer zu Tode quält, um damit sein krankes Kind zu retten. Zwei Produktionen, die im Herbst in Deutschland zu sehen sein werden. Wieder ist es Roberto Ciulli gelungen, mit den Verantwortlichen im Iran eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit zu schließen.