D-Dorf oder Großstadt Glanzlose Perle - Kulturbaustelle Düsseldorf
Düsseldorf (dpa) - „Du schöne Perle am Rhein“ heißt es in Düsseldorfs Schunkel-Hymne. Doch in der Kultur droht die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt an Glanz zu verlieren. Am deutlichsten wird das, wenn man auf dem Gustaf-Gründgens-Platz steht.
Dort erhebt sich das Schauspielhaus, ein weißer Bau mit elegant geschwungener Fassade. Eine Ikone der 60er-Jahre-Architektur, aber stark sanierungsbedürftig. Seit Anfang des Jahres ist das Haus geschlossen.
Eine Großbaustelle umfängt den verwaisten Platz. Vorschlaghämmer wummern, Bagger stehen auf Erdhügeln, Obdachlose haben ihre Schlafstätten an den großen Fenstern des Theaters eingerichtet. Rostschlieren laufen an der weißen Fassade mit den sich kunstvoll überschneidenden Flächen herunter.
Düsseldorf wird seit Jahren umgebaut. Der Verkehr im Zentrum wurde unter die Erde verlegt, und die Stadt baute eine neue U-Bahn-Linie, die statt Werbeplakaten an jeder Station mit neuen Kunstinstallationen überrascht. Das trug Düsseldorf internationale Aufmerksamkeit ein, doch das Schauspielhaus ist ein Trauerspiel. Nun hat Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) sogar den Fortbestand des Gebäudes in Frage gestellt.
Seit Tagen tobt ein Proteststurm gegen Geisels öffentliche Gedankenspiele, die von der Umnutzung des Hauses, dem Komplettumzug in das derzeitige Ausweichquartier „Central“ bis hin zur Übergabe an einen privaten Investor reichen. Sogar einen Abriss hatte der OB kurz mal ins Gespräch gebracht, davon aber schnell Abstand genommen. Aber er betont: „Wer sagt, wir wollen das Schauspielhaus an diesem Ort in diesem historischen Gebäude in altem Glanz erstrahlen lassen, der muss wissen, dass das sehr, sehr kostspielig werden wird, und dass wir das heute noch nicht vollständig absehen können.“
Vor Augen dürfte Geisel dabei Beispiele in Köln oder Berlin haben, wo Sanierungen viel teurer wurden als gedacht. In Düsseldorf wurden bereits 58 Millionen Euro investiert, mindestens 25 Millionen müssen laut Stadt noch in das Schauspielhaus hineingesteckt werden.
Der neue Intendant Wilfried Schulz geht auf die Barrikaden. Der Theatermacher war aus Dresden an den Rhein gekommen und sollte dem seit Jahren kriselnden Schauspiel neues Leben einhauchen. Nur scheibchenweise aber wurde klar, dass das Schauspielhaus nicht nur neun Monate, sondern wohl mindestens drei Jahre bis 2019 dicht bleiben wird. Denn nicht nur das Theater wird repariert, nebenan entsteht das immer wieder verzögerte Großbauprojekt „Kö-Bogen II“.
„Ich arbeite an einer Zukunft für das Düsseldorfer Schauspielhaus, und diese Zukunft kann es nur geben mit dem traditionellen Gebäude“, sagt Schulz. Andernfalls drohe Düsseldorf sich aus der Liga der wichtigsten deutschen Theater zu verabschieden. Schon jetzt lässt Schulz auch in einem Theaterzelt spielen. Die Premieren wurden bejubelt. Noch lässt Schulz offen, wie lange seine Geduld mit der Stadt reicht.
Das Schauspielhaus ist nur eine Baustelle im Kulturleben der NRW-Landeshauptstadt. Die Besetzung der Spitzenpositionen in zwei wichtigen Museen ist offen. Kommenden Dienstag übernimmt Marion Ackermann, bisher Direktorin der Kunstsammlung NRW, die Leitung der weltberühmten Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Eine neue künstlerische Leitung für das Flaggschiff der Kunst in NRW ist noch nicht gefunden.
Der städtische Kunstpalast steht vor einer ungewissen Zukunft. Der Energiekonzern Eon steigt aus der langjährigen Finanzierung aus. Der erfolgreiche Museumsdirektor Beat Wismer geht nächstes Jahr in den Ruhestand. Doch erst jüngst kam die Findungskommission für die Nachfolge erstmals zusammen. Überhaupt die Kunst. Die alle vier Jahre stattfindende Düsseldorfer Kunst-Quadriennale mit Ausstellungen in allen Häusern wurde leise begraben.
Nun stimmt auch noch Top-Choreograph Martin Schläpfer ein Klagelied an. „Das Marketing tut überhaupt nichts für uns“, kritisierte der preisgekrönte Chef des Düsseldorfer Balletts am Rhein in der „Westdeutschen Zeitung“. Das Ballett habe keine finanziellen Partner. Düsseldorf könnte „eine bedeutende Tanz-Stadt sein, ein zweites Stuttgarter Ballett“, sagte Schläpfer. Aber: „Die Stadt schafft es nicht, großstädtisch zu sein.“