Ironisch Haußmanns komödiantischer „Cyrano“ in Hamburg

Hamburg (dpa) - Gegen das gängige Regietheater mit seinem Hang, Klassiker zu aktualisieren, zu politisieren und mit manchmal grobmaschiger Sozialkritik auszustatten, hat sich Leander Haußmann gerade in einem Interview ausgesprochen.

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„Wir wissen ja nun, dass es arm und reich gibt, aber es gibt eben auch die Liebe. Ich finde es gut, wenn man mitleiden und mitfühlen kann! Und zwar in epischer Breite“, sagte der einstige Intendant des Schauspielhauses Bochum und erfolgreiche Kinoregisseur („Sonnenallee“, „Herr Lehmann“) dem „Hamburger Abendblatt“. Und so inszeniert Haußmann am Thalia Theater der Hansestadt auch Edmond Rostands tragikomisches Versdrama „Cyrano de Bergerac“ von 1897.

Als komödiantisches, ironisch pfiffiges Mantel- und Degen-Stück mit wilden Fechtszenen und viel Musik, bei dem gleichwohl tiefe Gefühle und hohe Schauspielkunst im Mittelpunkt stehen. Bei der Premiere des populären, bereits mehrfach verfilmten Stücks am Samstagabend reagierte das Publikum darauf mit viel Gelächter und langem Beifall, in den sich wenige Buhrufe mischten. Zu erleben sind gut drei schnell vergehende Stunden über die Liebe, die als Himmelsmacht ein Leben durcheinanderwirbeln und bis zur letzten Stunde prägen kann. Die vom Liebenden aber auch Wahrhaftigkeit verlangt und die Reife, hinter die Fassade in die Seele des Geliebten zu blicken.

Atemberaubend behänd und facettenreich, traurig und lustig zugleich verkörpert Jens Harzer als Titelheld einen so verliebten wie begabten, aber dank übergroßer wulstiger Nase potthässlichen Dichter. Selbstlos leiht dieser Cyrano seine Verskunst dem hübschen, aber dummen Adeligen Christian (Sebastian Zimmler), der damit in Wort und Schrift um die von beiden angebetete Roxane (Marina Galic) wirbt. Ein Arrangement mit schmerzlichen Folgen für alle Beteiligten. Am Ende warten, nach unerfülltem Leben, Krieg, Alter und Tod. Zu Beginn hängt bei Haußmann vor dem turbulenten Geschehen wie ein ironisches Zitat vergangener Theaterkultur der rote Samtvorhang. Als der sich zu romantischen Klängen öffnet, sieht man: Eine prächtige Pariser Bühne mit Logen und Zuschauern im Parkett (Bühne: Theresia Anna Ficus).

Dort treffen sich, in schwarzen Capes und Federhüten des 17. Jahrhunderts, einige junge Herren aus der Provinz. Eine schöne Dame mit langem schwarzen Haar im weißen Kleid, das ihre Schultern entblößt, bewegt sich anmutig im Hintergrund (Kostüme: Janina Brinkmann). „Die Frau ist so frisch, dass das Herz einen Schnupfen kriegt“, sagt einer der Beaus über jene Roxane (Marina Galic).

So ähnlich empfindet wohl auch Cyrano, der sich zunächst wortgewandt über sein Aussehen mokiert. „Als Nasenmode sehr extrem, zum Hutaufhängen sicher bequem“, quillt es aus dem Leidenden in gespielter Selbstsicherheit nur so heraus (Übersetzung: Frank Günther). Bald muss er sich auch mit dem arrogant die Stupsnase hoch und gleich zwei Degen tragenden hohen Offizier Graf Guiche (Rafael Stachowiak) anlegen. Der hat ebenfalls ein Auge auf Roxane geworfen und gedenkt, ein perfides Spiel mit ihr zu treiben.

Wenn dann auch noch Christian de Neuvillette (Sebastian Zimmler) sein langes Haar pflegt und den Luxuskörper in eitler Morgengymnastik stählt, ist das Hauptfigurenquartett perfekt. Die stolze Roxane sehnt sich nach Geist und Seele, wie es Cyrano zu bieten hat - verlangt aber auch nach einem schönen Äußeren wie dem des Kadetten Christian. „Sag, warum spannen wir zwei, um sie zu entflammen, dann deinen Mund und meine Worte nicht zusammen?“, schlägt der Dichter vor.

Berührend wirkt es auch auf Internet- und Smartphone-User, den Rest der Geschichte anzuschauen, die Haußmann „Romeo und Julia für die Generation Middle Age“ nennt. Die zeigt, wie tragisch und lächerlich menschliches Verhalten - ob analog oder digital - im Bann der Liebe sein kann. Und wie List und Trug, auch wenn sie gut gemeint sind, mögliches Glück ruinieren.