Premiere: Das Goldene Vlies - Eine Kindsmörderin wütet gegen die Götter

Furios: Am Schauspiel Köln inszeniert Karin Beier Grillparzers „Das Goldene Vlies“.

Köln. Franz Grillparzers "Das Goldene Vlies" gehörte lange nicht zum Grundrepertoire deutscher Bühnen. Seit der zugrunde liegende Medea-Mythos aber als Sinnbild für Fremdheit und Migration neu interpretiert wird, erlebt die 1821 uraufgeführte Stücktrilogie eine Renaissance.

Grillparzer verengt Medeas Drama nicht auf den Kindermord, sondern erklärt ihn aus der Vorgeschichte: König Aietes von Kolchis ermordet den Griechen Phryxus, um das sagenhafte Goldene Vlies in seinen Besitz zu bringen.

Jahre später kommt Jason nach Kolchis, um Phryxus zu rächen und das Vlies zurückzuholen. Er und Aietes’ Tochter Medea verlieben sich, sie hilft Jason bei seinem Unternehmen. Beide fliehen und suchen Schutz bei König Kreon. Als die "Barbarin" Medea ausgewiesen werden soll, tötet sie ihre Kinder.

Der politische Schaukampf wird schnell zum Familiendrama. Die Medea der Maria Schrader ist keine zauberische Priesterin, sondern eine junge Frau, die in einem furiosen, vermeintlichen Todes-Pas de deux mit Jason (Carlo Ljubek, der auch Phryxus spielt) plötzlich die Liebe entdeckt.

Enttäuscht sackt Aietes zu einem clownesken Lear im Sand zusammen und muss noch mit ansehen, wie sich sein Sohn Absyrtes (Patrycia Ziolkowska, die auch Kreusa spielt) das Messer in den Leib rammt.

Faszinierend, wie Karin Beier durch verfremdete Gestik und bedrohliche Geräusche (Cello: Sue Schlotte) Grillparzers Trilogie seine Fremdheit bewahrt. Und sie zugleich mit einem Spiel von bedrängender körperlicher und emotionaler Unmittelbarkeit an den Zuschauer heranholt.

Ein Kühlschrank und stilisierte zeitgenössische Kleidung (Kostüme: Janina Pfau) deuten im dritten Teil das Heute an. Medea und Jason geben das genervte Ehepaar, das mit seinen beiden Söhnen bei König Kreon (Manfred Zapatka, diesmal mit leisem, eisigem Machtzynismus) Schutz sucht.

Der Rassismus gegen die "Barbarin" ist offene Sprachform. Kreons Tochter Kreusa versucht zu vermitteln, wenn sie den Söhnen Eis gibt oder Medea das Cellospiel beibringt.

Wie Maria Schrader dann mit ungläubigem Entsetzen um ihre Kinder ringt, brüllend gegen die Götter wütet und doch gefasst zum Mord an ihren Kindern schreitet - das ist Theater, wie man es im Kölner Schauspielhaus lange nicht sah. Radikal und doch in der Gegenwärtigkeit des Archaischen so aktuell, dass man diesen Abend lange nicht vergessen wird.

Franz Grillparzers "Das Goldene Vlies" im Schauspiel Köln, Aufführungen am 18. und 23. Mai, Karten unter Telefon 0221/ 221-28400.