Tanz: Hier heißt BMW nur „Ballett Muss Weg“

In Susanne Linkes Choreografie zückt Kresniks Ensemble die Waffen gegen den Tanztod.

Bonn. Blauer Himmel mit Schäfchenwolken, wie nett. Nur ist die grenzenlose Freiheit nichts für jedermann. Johann Kresniks Ensemble würde ein festes Engagement vorziehen. Da Kresniks Vertrag an der Oper Bonn aber nicht verlängert wird und der 67-Jährige dann freischaffend agieren muss, löst sich sein Choreografisches Theater nach über zwanzig Jahren auf. Freigesetzt.

Und nachdem die Idee eines großen Rheinballetts, das Duisburg, Düsseldorf, Köln und Bonn bespielt, ja nun vom Tisch ist, droht der Tanzsparte an den Häusern in Köln (mal wieder) und in Bonn das Aus. Eine Situation, wie sie an deutschen Theatern öfters vorkommt. Ein bühnenreifer Stoff, wie Susanne Linke findet, die mit dem Österreicher Tanztheater-Geschichte schrieb. Wenn Linkes Auftragswerk den Titel "It’s wonderful - still here? Still hier!" trägt, so steckt darin ebenso viel bittere Ironie wie in den Schönwetterwolken an der Rückwand des Alten Malersaals in Bonn.

Die Idee ist nicht neu. So ließ Uwe Scholz seine Tänzerinnen schon 1996 am Ende der "Bach-Kreationen" stumm die Spitzenschuhe ausziehen, die sich an der Rampe türmten - als Protest gegen das Leipziger Spardiktat. Eine Szene, die bewegte.

Ganz anders Linkes zehn Tanzszenen, die mit grinsender Satire gleich den gesamten Kunstbetrieb aufs Korn nehmen und eher unterhalten. Das erstaunt, hätte man von der bedeutenden Choreografin doch ein ruhiges Tanzstück erhofft, das sich über Bewegungsqualität mitteilt. Eine Arbeit, in der sich Entwicklungen vollziehen. Stattdessen eine lose Aneinanderreihung von Szenen, plakativ dazu. Als hätte Johann Kresnik seinen ästhetischen Segen gegeben.

Eine solche Szene ist "Audition", inspiriert von TV-Castingshows. Die Jury besteht aus Leuten, die ihr menschenverachtendes Rauswinken bei Dieter Bohlen abgeguckt haben - wie die Tänzer ihre schönen Schwünge und leichtfüßigen Richtungswechsel bei der Linke. Wenn die Experten, gestylt und vernetzt, über Kunst und Körper schwafeln, meinen sie mit "BMW" nicht etwa ihr Auto, sondern "Ballett Muss Weg".

Als Konsequenz zeigt die nächste Szene Büromenschen, deren rechte Hand im Mausklick-Rhythmus zittert. Ihr Tanz ist ein Befreiungsversuch, aus dem - typisch Linke - die Neurosen hervorbrechen, die sich in ihre Körper eingeschrieben haben. Doch sie lassen uns kalt. Hier geht es um eine anonyme Gruppe. Kein Individuum nirgends, dessen Schicksal berührte.

Die eindrucksvollsten Momente gehören einem enigmatischen Mädchen in weißem Volantrock, das wie ein Racheengel unter Büroleuten umhergeistert. Allegorie des siechenden Tanzes, trägt sie ein Messer bei sich, mit dem sie, wie einst Giselle, herumfuchtelt. Die "gebrochene Muse" muss verzweifeln, kann sie doch niemanden aus der Lethargie rütteln. "Das letzte Ma(h)l" oder Die (Ver-)kündigung" heißt die letzte Szene, die Tische zu einer Tafel arrangiert wie zum biblischen Abendmahl. Ein Geschäftsmann verkündet dem Ensemble: "Ihr seid frei". Die Künstler um ihn gefrieren zu einen "still", in Anspielung auf Da Vincis Gemälde.