Kabarett: Travestie und Tingeltangel

Das Varieté „Taboo“ mit Tim Fischer gastiert bis Ende September in Köln im historischen Spiegelpalast. Die akrobatische Revue setzt auf kühnen Körpereinsatz und laszive Erotik.

Köln. Er ist der Star der Show. Ganz unbestritten. Wenn Tim Fischer (34) im weißen Anzug die Bühne betritt, um, begleitet von Rainer Bielfeldt am Klavier, den "Brief einer höheren Tochter aus den Ferien an ihre Mutter" vorzutragen, bricht ein derartiger Applaus los, dass man Angst um die Spiegel ringsum haben muss.

Ein Großteil der Menschen im Publikum ist vermutlich nur wegen Fischer hier. Sieben Mal tritt der charismatische Sänger im Rahmen des Varietés "Taboo" auf. Fragil, androgyn und scheinbar aus einer anderen Zeit stammend. Mal im Frack, mal im Catsuit mit dramatischem Mephisto-Kragen oder im weißen Silberlamée-Kleid verzaubert er seine Fans mit Stücken von Friedrich Hollaender, Jacques Brel oder Edith Jeske und Rainer Bielfeldt.

Im Duett "Wir sind ein Paar" demontiert er den Mythos vom Glück zu zweit, er erzählt noch einmal das traurig-schöne Märchen von der "Rinnsteinprinzessin", und am Ende von "Stroganoff" weiß jeder, wie das gleichnamige Filet erfunden wurde. Fischer, der Paradiesvogel, der seine Karriere im Hamburger Schmidt-Theater mit Chansons von Zarah Leander begann, passt ins Konzept von "Taboo".

"Taboo" ist eine Mischung aus Travestie, Theater und Tingeltangel, Kabarett, Varieté und Zirkus. Erdacht hat sie Fischer gemeinsam mit dem Trapez-Duo "Sorellas" aus dem Circus Roncalli. Vor einigen Jahren gab es bereits etwas Ähnliches in Düsseldorf, in Roncallis "Apollo Varieté". Das plüschig-nostalgische Ambiente des Spiegelpalastes ist für Frivolitäten wie geschaffen. Durchs Programm führt mit dem karottenlockigen Tomasz eine Dame, die keine ist, aber über eine Garderobe verfügt, die jeden weiblichen Hollywood-Star vor Neid erblassen lässt.

Die Artistik-Einlagen von Chy Mey Ling (Handstand-Akrobatik), Caroline Hammer (Hula-Hoop-Reifen) oder Schlangenmensch Mukhtar sind allesamt hochkarätig. Strapse, ein bisschen Sado-Maso-Garnitur und viel nackte Haut tragen dazu bei, das Ganze zu erotisieren. Warum die Show für Gäste unter 18 tatsächlich tabu ist, erfährt man, wenn man der Zauberkünstlerin Ursula Martinez zusieht, die sich Stück für Stück ihrer Kleidung entledigt, bis sie schließlich splitterfasernackt auf der Bühne steht. Magier Ully Loup, der Wasser zwar nicht in Wein, aber dafür in Cocktails, Schnäpse oder Bier verwandeln kann, steuert noch ein bisschen Blasphemie bei. Das ist auch schon das Verruchteste am ganzen Programm.