Theater in Düsseldorf: Die Ratten - Im Muff der schönen Theaterwelt

In Düsseldorf inszeniert Markus Dietz „Die Ratten“.

Düsseldorf. Wer muss zu wem, das ist hier die Frage: der Schauspieler zu Goethe oder Goethe zum Schauspieler? Dem Theaterdirektor Harro Hassenreuter treibt die Performance seines Schülers Erich Spitta die Zornesröte ins Gesicht: nackte Haut, verspritztes Blut und megaphonverstärkte Parolen. Nein, so ist dem Faust’schen "Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie durchaus studiert, mit heißem Bemühn." nicht beizukommen.

Markus Dietz versucht seine Inszenierung von Gerhart Hauptmanns "Die Ratten" mit diesem Theater auf dem Theater in Schwung zu bringen. Er verdankt es dem Können von Michael Abendroth (Hassenreuter) und Daniel Graf, dass der Auftritt auf dem vergossenen Kunstblut nicht vollends ins Rutschen gerät: oberflächlicher Klamauk statt tiefsinniger Selbstbetrachtung.

Hauptmann hält in dem 1911 uraufgeführten Stück Balance zwischen Komik und Tragik, zeichnet die bürgerliche Theater(kunst)welt im Kontrast zur rohen Wirklichkeit der Arbeiter. Eine Mutter, die aus Trauer um ihren verstorbenen Sohn einer jungen Frau in Not das Baby abschwatzt und sogar zum Mord anstiftet. Drei Väter, die ihre Kinder eher besitzen als behüten wollen. Das Elend hellt der Schein des Theaters mit Humor auf ohne es auszublenden.

Dieses Feingefühl geht der Inszenierung im Großen Haus ab. Was sie verhandelt, bleibt unklar. Im Trainingsanzug und mit Schäferhund Helmut an der Leine schnüffelt der rechtsgesinnte Blockwart (Thiemo Schwarz) in den Schränken der Frau John (Olivia Grigolli). Zur Milieustudie reicht das nicht. Komisch soll es sein, zumindest bis zur Pause. Danach wird es tragisch ohne zu berühren.

Der aktualisierte Text versetzt die Zuschauer eher unsanft ins Hier und Jetzt, wenn der in Freiburg als Intendant engagierte Hassenreuter die ehemalige Wirkungsstätte der Düsseldorfer Theaterchefin Amélie Niermeyer auf Vordermann bringen soll. Gelungen ist hingegen der polnische Akzent der Pauline Piperkarcka (Janina Sachau). Bei Hauptmann war es das Berlinerische, das die gesellschaftliche Position anzeigte, heute ist es das Ausländische. Deutsch soll sie reden, herrscht Frau John und zieht damit eine deutliche Grenze.

Die Bühne von Franz Lehr überzeugt ohne dick aufzutragen. Der Kostümfundus des Theaterdirektors hängt in Reihen mal am Boden und mal an der Decke. Die Kleider sorgen für die Muffigkeit eines Dachbodens, dann wirken sie wie stumme Zuschauer. Was optisch überzeugt, beweist sich akustisch als schwierig, denn die Kleider schlucken, was hinten auf der Bühne gesprochen wird.