Zeitgenössischer Tanz: Doppeldeutiges "Gift" in bunter Märchenwelt

In-Jung Juns Tanzstück "Gift"wurde im Tanzhaus NRW uraufgeführt. Es bietet mehr Illusions- als Tanztheater und ist selbst eine - magische - Mogelpackung.

Düsseldorf. Verträumt spielt die Tänzerin mit einem großen Schwan. Da stürzt ein Trio herein, entreißt ihr die Origami-Figur und zerlegt sie bis zur Kenntlichkeit: Das geliebte Tier ist nichts als ein Bogen Papier.

Angekommen ist sie konsequenterweise im Märchenland. Hier regiert eine merkwürdige Majestät, die längst verstanden hat, was die Spiel-Uhr geschlagen hat: Der alte Beatles-Song "Let it be" erklingt, und der König handelt danach. Will er sich Gehör verschaffen, singt Lotte Rudhart umso lauter, lässt er sie gewähren, verstummt sie. Lässt er den Dingen nur seinen Lauf, hat er die Untertanen im Griff.

In-Jung Jun schreitet mit einer Angel über der Schulter vorüber, dran baumelt eine Wolke. Und der König trägt Schuhe aus Nylonsocken mit kleinen Äpfeln als Absätzen. Ihre poetische Phantasie ist das Markenzeichen der vielversprechenden Choreografin, die jüngst die Förderpreise der Stadt Düsseldorf und des Landes NRW erhielt. Doch hat In-Jung Jun mehr zu bieten.

Sie ist eine herausragende Tänzerin und Tanzschöpferin, und diese Begabungen kommen in "Gift" zu kurz. Es gibt wenige Momente, in denen sie selbst und Lotte Rudhart tanzen. Der Este Andres Loo, Musiker und Dichter, agiert wie auch der Portugiese André Teodosio, Musiker und Schauspieler, ohnehin mehr als Darsteller.

Und Romeu Runa, ehemaliger Tänzer des Ballet Gulbenkian Lissabon, macht mehr den Akrobaten-Komiker. "Gift", das auch Längen hat, ist mehr Illusions- als Tanztheater und selbst eine - magische - Mogelpackung.