Ayliva aus Recklinghausen gastierte in Köln Die deutsche Lana del Rey

Köln · Die Lanxess-Arena war gleich dreimal mit 16 000 Fans ausverkauft.

Sängerin Ayliva, hier nach der Bambi-Verleihung 2023

Foto: dpa/Felix Hörhager

Ja, der Name muss noch einmal herhalten. Also: Als Taylor Swift in diesem Sommer ganz Europa auf den Kopf stellte, gab es von der Gegenseite derjenigen, die nicht Fan sind, immer wieder diesen einen Satz zu lesen und zu hören: „Ich verstehe den Hype nicht.“

Es ist ein Satz, den man auch auf Shirts drucken lassen könnte, so ikonisch steht er mittlerweile in der Popwelt – weil er nämlich nicht nur für das Nicht-Begreifen steht. Sondern auch für ein mitunter vorsätzliches Nicht-Begreifen-Wollen. Es ist der neue verbale Ausdruck eines altbekannten Phänomens: der Generation Gap. Des Grabens zwischen den Generationen. Hier die Jungen. Da die meist Alten. Die einen entdecken und begreifen die Welt gerade voll ungebremster Begeisterung. Die anderen kennen sie schon, sind mürrisch und finden das alles höchst albern.

Und Taylor Swift hat Nichtversteher-Zuwachs bekommen, denn dieses Unverständnis trifft jetzt auch auf Ayliva zu. Eine 26-jährige Recklinghausenerin, die bürgerlich Elif Akar heißt, den meisten Nicht-Begreifen-Wollenden wohl gar nichts sagt – und die im Rahmen ihrer „In Liebe“-Tour an drei Abenden hintereinander die Kölner Lanxess-Arena ausverkauft. 48 000 Menschen. Albern ist anders.

Was man auch recht schnell begreift, wenn man Ayliva auf der riesigen Bühne dabei zusieht, wie sie zwei Stunden lang zeigt, warum sie so dermaßen populär bei denen ist, die die Welt mit ihren guten und schlechten Seiten gerade erkunden: Ayliva ist nahbar. Manchmal auf fast schon tollpatschige Weise: Dann verhaspelt sie sich oder lacht laut los oder verdaddelt einen Song-Einstieg. Vor allem aber konsequent bis zum Anschlag. Trotz Popstar-Garderobe und perfekt durchchoreografierter Show.

In ihren Songs geht es ausnahmslos darum, ein gebrochenes Herz zu reparieren. Eine durch enttäuschte Liebe schwarz gewordene Seele wieder bunt anzupinseln. Für das Gros der Anwesenden in der Arena gibt es derzeit kein Thema, das brennender sein könnte. Und alle anderen haben das ganz sicher auch schon durchgemacht in ihrem Leben vor der Adoleszenz, welches sie beim Belächeln begeisterungsfähiger Heranwachsender so gerne verleugnen. „Erst zwei Songs und ich muss schon weinen“, sagt eine Reihe weiter ein Mädchen zum anderen. Und heult. Ohne Scheu und Taschentuch. Einfach drauf los. Raus mit den Gefühlen.

Aylivas Musik ist eine Mischung aus Dreampop, Lupenrein-Pop, Psychedelic, gegen Ende hin sogar Rock. Und mit orientalischen Anklängen, wie sie vor allem in diesem – von Nicht-Begreifen-Wollenden sträflich unterschätzten – Gesang zum Ausdruck kommen. Man kann auch sagen: Ayliva ist irgendwie eine kleine deutsche Lana del Rey, die mit Schwermut, Melancholie und Sehnsucht Herzschmerz zu lindern sucht und damit Essenzielles für all die jungen bis sehr jungen Fans aufs Tableau bringt. Es geht um die Angst vorm Erwachsenwerden. Die Angst vorm Enttäuscht-Werden. Die Angst belächelt zu werden von denen, die sich auskennen und sich nur blöde lustig machen.

Und nichts könnte ernster sein. Ayliva ist mitunter zwar durchaus kitschig: „Dein Handy ist auf lautlos, Baby. Du lässt mich allein.“ Und: „Du bist mein Mörder“ – der des Herzens natürlich. Aber sie ist vor allem empathisch. „Kennt ihr das Gefühl, wegen jemandem fast ersticken zu müssen? Wir verlieren uns dann selbst. Aber das sollten wir niemals! Toxische Beziehungen sind gefährlich!“, lautet eine ihrer Ansagen. Das Thema mentale Gesundheit sei ihr „sehr wichtig“. „Ich schreibe Songs darüber.“ Also: „Passt auf euch auf!“

Sowas geben keine entrückten Popstars von sich. Sowas kommt von Freundinnen und Freunden, die begreifen. Die einen Dreck auf, zumeist männliches, Gockel-Gehabe im Pop-Geschäft geben und wissen, dass man sich niemals für pure Begeisterung schämen müssen sollte. Was man hingegen durchaus mal sollte: Im Sinne einer zumindest ein klein wenig besseren Welt diesem Hype, den man nicht versteht, eine Chance geben – und ihn verstehen lernen.