Drama: Ein Männlein will nach oben

„Chiko“ ist geradliniges Gangsterkino.

Die Regeln der Gewalt, meist münden sie in Erniedrigung und Drohgebärden. Nur selten, wenn überhaupt, dienen sie Selbstschutz und Prävention. Chiko (Denis Moschitto) weiß das genau. Seinen Namen bläut er den Möchtegern-Kiezgrößen und deren Laufburschen aus seinem Wohnviertel mit dem Baseballschläger ein.

Sein Ziel ist simpel, darum auch leicht nachvollziehbar: Er will Geld, Macht, Freiheit, Ruhm, Frauen, fette Autos und teures Essen - eben all das, was die Boulevard-Medien dem gestrandeten Mittzwanziger als erstrebenswert einbläuen.

Seine Strategie des brachialen Sendungsbewusstseins funktioniert. Vom Gelegenheitsdealer mausert er sich binnen kurzer Zeit zum gefragten Zwischenhändler. So wird auch Brownie (Moritz Bleibtreu), einer der wenigen ernstzunehmenden Paten der Siedlung, auf Chiko aufmerksam und baut ihn zu seiner Nummer Zwei auf.

Erst jetzt, als er mit seiner großen Liebe, der Ex-Prostituierten Meryem (Reyhan Sahin, besser bekannt als Internet-HipHopperin Lady "Bitch" Ray) vom Balkon seines Penthouses auf Hamburg hinabblickt, begreift er, was für den schnellen Erfolg auf der Strecke blieb:

Der Kontakt zu Ex-Frau und Tochter, vor allem aber das innige Verhältnis zu seinem besten Freund Tibet (der heimliche Star des Films, Volkan Özcan) und dessen Mutter (Lilay Huser). Von Skrupeln geplagt, versucht er, Schadensbegrenzung zu betreiben, muss aber feststellen, dass die Gewalt für ihn nicht mehr nur Mittel zum Zweck ist, sondern er fürs nackte Überleben darauf angewiesen ist.

Regie-Debütant Özgür Yildirim ist mit "Chiko" geradliniges Gangsterkino gelungen. Aufstieg und Fall eines Emporkömmlings kommen ohne den üblichen Sozialkitsch aus, in den das Genre im deutschen Film gerne mal abdriftet. Stattdessen reißt Yildirim den Zuschauer geschickt in den immer heftigeren Sog aus Faszination und Abscheu, den der bröckelnde Glamour der Halbwelt auszuüben vermag.

(WZ-Wertung: 4 von 5 Sternen)