Glaubensfrage - Intrige hinter dicken Klostermauern
Das Drama ist eine klug gewobene Geschichte und großes Schauspiel-Kino.
Düsseldorf. Die deutschen Titel ausländischer Filme sind oft, um es nett auszurücken, daneben. Umso erstaunlicher, wenn es einem Verleih gelingt, einen Film mit einem wesentlich hintersinnigeren Titel auf den hiesigen Markt zu bringen, als es das Original vermuten lassen könnte.
"Glaubensfrage" ist da quasi ein Paradebeispiel. Im englischsprachigen Raum heißt das Drama "Doubt", übersetzt: Zweifel, und thematisiert damit lediglich den Anlass der erschütternden Geschichte.
Tatsächlich geht es nämlich um existenzielle Glaubensfragen. Nicht zwingend religiöser Natur, auch wenn sich die Handlung in einem Kloster abspielt. Eher, woran man im täglichen Umgang miteinander glaubt und was in einer scheinbar ausweglosen Situation der Weg des geringsten Übels ist.
Alles entzündet sich vor dem Hintergrund der verklemmten 50er Jahre an der brisanten Frage, ob Priester Flynn (Philip Seymour Hoffman), der auch als Sportlehrer arbeitet, sich an einem seiner Schüler sexuell vergangen hat. Der Junge ist ein Schwarzer, der erste, den die Klosterschule im Zuge der sich mühsam lockernden Rassentrennung bei sich aufgenommen hat.
Schwester Oberin Aloysius (Meryl Streep), die die Schule mit der Aura einer sadistischen Gefängniswärterin reglementiert, will den Geistlichen anzeigen. Dadurch sieht sich aber dem unterschwelligen Vorwurf ausgesetzt, nur einen Grund gefunden zu haben, den als liberalen Freidenker geachteten Mann aus ihrem verkrusteten Polizeistaat entfernen zu können.
Als ihr auch noch die Mutter des Jungen (Viola Davis) in den Rücken fällt, weil sie, aus Angst, ihr Sohn könnte der Schule verwiesen werden, das Thema auf sich beruhen lassen will, steht die Nonne alleine da.
Dieser klug gewobene Plot ist bestes Dialogdrama. Autorenfilmer John Patrick Shanley lässt allerdings bei seiner Inszenierung nicht so viel Sorgfalt walten wie bei seinem Drehbuch.
Während Streep, Hoffman und Davis die widerstreitenden Weltsichten ihrer Charaktere vertreten und dabei großes Schauspielkino erzeugen, verharrt die Szenerie in seltsamer Regungslosigkeit. Shanley verlässt sich zu sehr auf die Respekt einflößende Atmosphäre der schweren Klostermauern und einige aufgesetzte Symbolismen.
Wertung: vier von fünf Punkten.