Heath Ledgers letzte Rolle

In Terry Gilliams „Das Kabinett des Dr.Parnassus“ ist der verstorbene Australier als zwielichtiger Charmeur zu sehen.

Düsseldorf. Terry Gilliam hatte es noch nie leicht. Produzenten schenkten dem amerikanischen Regiewunder nur selten das nötige Vertrauen, manche entzogen es ihm sogar während der bereits begonnenen Arbeit. Wäre es beispielsweise nach Joanne K. Rowling gegangen, hätte Gilliam ihre "Harry Potter"-Bücher verfilmt.

Auch Philip Pulman hatte für die Leinwand-Adaption seines Fantasy-Bestsellers "Der goldene Kompass" den Ex-Monty-Python favorisiert. Die Studios sahen das aber jeweils anders. Gilliam, der als kompromissloser Eigenbrötler verschrien ist, sollten keine Multi-Millionen-Budgets anvertraut werden.

Sein letztes Projekt, den verstörend perspektivlosen "Tideland" (2006), hatte der 69-Jährige quasi im Alleingang realisiert. Einen Verleih fand er dafür nicht. Auch bei Gilliams neuem Film, "Das Kabinett des Doktor Parnassus", war lange nicht klar, ob er den Weg ins Kino finden würde. "Zu sperrig, zu unübersichtlich", lautete das Urteil der Branche, nachdem das epische Märchen bei den letztjährigen Filmfestspielen von Cannes Premiere gefeiert hatte.

Dass darin der 2008 an einer Medikamentenüberdosis verstorbene Heath Ledger in seiner letzten Rolle zu sehen war, schien die Neugier der Einkäufer sogar eher zu drosseln als zu befeuern. Denn der Australier, dem im Februar dieses Jahres für seinen waghalsigen Auftritt in "The Dark Knight" posthum ein Nebenrollen-Oscar verliehen wurde, war ausgerechnet während der Dreharbeiten zu "Doktor Parnassus" gestorben.

Die Presse kolportierte damals, der sensible Jungstar sei nicht mit dem Druck zurechtgekommen, unter dem unberechenbaren Gilliam zu spielen, was zu der verhängnisvollen Fehlmedikation von Uppern und Downern geführt haben soll. Keine gute Werbung für einen Film.

Zunächst überzeugt, dass er sein Werk nicht vollenden könne, schrieb Gilliam das Drehbuch schließlich doch noch um und ließ in einzelnen Sequenzen Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell Ledgers Rolle übernehmen.

Dass man der Handlung diese Retouchierung nicht anmerkt, ist nun, da der Film doch noch anläuft, eines der vielen Wunder, mit denen Gilliam seine Zuschauer zum kindlichen Staunen bringt. "Das Kabinett des Doktor Parnassus" ist ein Meisterwerk geworden, ein Plädoyer für mehr Fantasie und mehr Mut dazu, kreativ zu wirken.

Im Kern handelt der Film von der Feindschaft zwischen dem titelgebenden Doktor (Christopher Plummer) und dem Teufel (Tom Waits), dem Parnassus wegen einer verlorenen Wette seine Tochter (Lily Cole) schuldet. Der Leibhaftige lässt sich auf einen Deal ein: Sollte es Parnassus gelingen, innerhalb von drei Tagen fünf Seelen vor teuflischem Einfluss zu retten, lässt er ihm das Mädchen. Klingt leichter gesagt als getan: Als einziges Medium, um Menschen für sich zu gewinnen, steht Parnassus ein windschiefes Holztheater auf vier Rädern zur Verfügung.

Hoffnung keimt allerdings auf, als die Mitarbeiter des Doktors eines Abends den von einer Brücke baumelnden Tony (Heath Ledger) retten. Er besitzt die Gabe, den Menschen Dinge zu verkaufen, die sie eigentlich nicht haben wollen.

Es ist die vielleicht schönste, komplexeste, manchmal sicherlich auch bizarrste Geschichte, die sich ein Filmemacher in den vergangenen zehn Jahren hat einfallen lassen. Mit Hilfe eines Zauberspiegels offenbart Parnassus den Menschen ihre verborgensten Wünsche. Die surrealen Welten, die sich hinter der Glasfläche auftun, erschafft Gilliam mit unverbrauchter Fantasie und unbändigem Spieleifer. Ist das Ganze überfrachtet? Mit Sicherheit! Aber stört das, wenn man als Zuschauer noch verzaubert werden kann? Natürlich nicht!