Pixars "Oben": Wenn Träume aufsteigen
Animation: Pixar ist mit „Oben“ wieder ein Meisterwerk gelungen. Der anrührende Film erzählt von der Suche nach dem Glück.
Düsseldorf. Das, was "Oben" alleine in den ersten zehn Minuten erzählt, wäre Stoff für einen eigenen Film, wenn nicht gleich für eine ganze Serie. Ein Junge lernt ein Mädchen kennen, beim Spielen in einem verlassenen Haus. Zwischen Carl und Ellie ist es Liebe auf den ersten Blick, und sie soll halten, über 70 Jahre lang. Die beiden erleben Hochs und Tiefs, schwärmen als Kinder gemeinsam für Südamerika-Forscher Charles F. Muntz, heiraten später, werden sesshaft, bauen sich mit dem Vertrieb von Luftballons eine kleine Existenz auf. Auch mit dem Kinderkriegen werden sie es versuchen, leider aber ohne Erfolg.
Für ihren Traum, einmal zu den sagenumwobenen Wasserfällen von Paradise Falls zu reisen, sammeln sie ihr Kleingeld in einem Glaskrug, doch immer wieder fällt der Notgroschen nahe liegenderen Projekten zum Opfer, seien es Reparaturen, ein Besuch im Edel-Restaurant oder medizinische Behandlungen. Ellie wird die ersten zehn Minuten des Films, quasi die Ouvertüre, nicht überleben. Mit 75 stirbt sie im Krankenhaus. Damit ist klar: Das, was "Oben" erzählen will, ist Carls Geschichte, die eines 78-Jährigen, der über den Tod des Menschen hinwegkommen muss, mit dem er sein gesamtes Leben geteilt hat.
Was nach schwerem, soziallastigem Melodram klingt, ist eine gänzlich makellose Erbauungsstory über die unerreichten, meistens leider auch unerreichbaren Träume, die man sich als Ziele steckt und gerne erfüllt sehen möchte, bevor der große Vorhang fällt. Carl ist untröstlich, dass er es nicht geschafft hat, mit Ellie gemeinsam nach Paradise Falls zu reisen.
Er vereinsamt, verfällt in Alltagstrott, wird im Viertel zum gefürchteten Grantler, an dessen Tür man besser nicht klingelt. Irgendwann soll sein Haus einem Einkaufszentrum weichen, um ihn herum haben alle Nachbarn bereits verkauft, nur das kleine Holzhaus, in dem Carl und Ellie sich kennen lernten, und das sie später zu ihrem bescheidenen Palast ausbauten, trotzt den heranrückenden Bulldozern.
Auch hier macht der Film eine unerwartete Wendung, zeigt keine zigmal erzählte David-gegen-Goliath-Geschichte, sondern gibt Carl die Möglichkeit zum lakonischen Mittelfingerzeig. Als das Ultimatum verstreicht und die gesichts- und konturlosen Investoren mit dem Räumungsurteil winken, hebt er einfach ab.
Aus seinem Dach steigen unzählige Helium-Ballons auf, die das Haus samt Fundament aus dem Boden reißen. Die Reise nach Paradise Falls beginnt, und Carl könnte sie in vollen Zügen genießen, wenn auf seiner Veranda nicht ein achtjähriger, verängstigter Pfadfinder stünde, den er versehentlich mit in luftige Höhen genommen hat.
Eigentlich schon müßig, zu erwähnen, dass den Animationszauberern von Pixar ("Findet Nemo", "Ratatouille", "Wall-E") mit "Oben" erneut ein Meisterwerk gelungen ist. Diesmal ist es fast schon absurdes Theater, das sie einem Menschen widerfahren lassen, dem mit dem Tod des Partners drastisch vor Augen geführt wird, dass man zumindest versuchen muss, seine Träume zu leben.
Regisseur Pete Docter ("Die Monster AG") schöpft dafür aus dem Vollen, belässt es nicht bei der fantastischen Grundkonstellation, ein Haus sprichwörtlich in die Luft gehen zu lassen. Er erzählt auch von paradiesischen Rückzugsorten, leicht beschränkten Fabelwesen, sprechenden Hunden und einem verschollen geglaubten Südamerikaforscher, der mit der Ankunft seines größten Fans Carl seine Heldenmaske fallen lassen muss.
Dass diese scheinbar losen Handlungsmotive zu einer wunderschönen, bittersüßen, rundum fantastischen und stets homogenen Geschichte über das simple Streben nach Glück zueinander finden, ist großes, einzigartiges Kino.
Wertung: Volle fünf Punkte