Steve McQueens „12 Years a Slave“ gewinnt in Toronto
Toronto (dpa) - Es sind nicht nur die Schläge und Peitschenhiebe auf der Leinwand, die den Zuschauer bei „12 Years a Slave“ mitnehmen.
Am schlimmsten trifft der gepeinigte Gesichtsausdruck von Solomon Northup (Chiwetel Ejiofor), dessen Züge bei jeder zerschmetterten Hoffnung auf Freiheit verzweifelter werden. Diese schlichten Bilder und rohen Emotionen lassen Steve McQueens Sklaven-Drama lange nachwirken.
Das Werk des britischen Regisseurs hat am Sonntag (Ortszeit) den Publikumspreis des 38. Toronto International Film Festival (TIFF) gewonnen - und wird als heißer Oscar-Favorit gehandelt.
Beim diesjährigen TIFF waren es vor allem solche Verfilmungen wahrer Schicksale, die für Aufsehen sorgten. Der kirchenkritische Beitrag „Philomena“ des Briten Stephen Frears („The Queen“) mit Judi Dench und Steve Coogan wurde zum „Runner-Up“, zum Zweitplatzierten, gekürt. Publikumslieblinge wie „The Railway Man“, „Dallas Buyers Club“ und „Mandela: Long Walk to Freedom“ basieren ebenso auf realen Begebenheiten wie „12 Years a Slave“. Das Sklaven-Drama entstand nach der Vorlage des Buches von Northup, der 1841 aus dem liberalen Norden der USA in den Süden des Landes entführt und dort versklavt wurde.
McQueen hat daraus ein Epos geschaffen, das von der Radikalität im Stil von Quentin Tarantinos „Django Unchained“ ebenso Abstand nimmt wie von weichgespülten Sequenzen. Die Kameraeinstellungen verweilen über den weiten Baumwollfeldern, die Bewegungen und Bilder sind so langsam wie die drückende Hitze der Südstaaten. Die Luft flimmert, Mücken brummen, die Menschen - Meister wie Sklaven - sind gefangen in dieser brütenden Eintönigkeit der Sümpfe Louisianas.
Michael Fassbender, nach „Hunger“ und „Shame“ in seiner dritten Zusammenarbeit mit McQueen zu sehen, spielt den sadistischen und unberechenbaren Gutsbesitzer Master Epps mit geradezu teuflischer Intensität. Die unglückliche Ehe mit der kalten und bigotten Mary (Sarah Paulson) und vor allem seine Besessenheit von der jungen Sklavin Patsy (Lupita Nyong'o) lassen ihn zum unberechenbaren Monster werden. In weiteren Rollen sind unter anderem Brad Pitt als kanadischer Retter und Benedict Cumberbatch als moderater erster Sklaven-Besitzer zu sehen.
Cumberbatch, der auch noch mit „The Fifth Estate“ und „August: Osage County“ im Wettbewerb vertreten war, wurde von Festival-Direktor Cameron Bailey für seine Dauerpräsenz scherzhaft „TIFF-It-Boy“ getauft. Überhaupt hatten die Briten in diesem Jahr gefühlt die Oberhand: Der frühere „Harry Potter“ Daniel Radcliffe reiste ebenfalls mit drei Filmen an, Jude Law sorgte mit „Dom Hemingway“ für die meisten Lacher, Judi Dench und Colin Firth für Tränen.
Das Filmfest in Toronto gilt als Testpflaster für Publikum und Kritiker. Der Gewinnerfilm wird nicht von einer Jury gewählt sondern von den Zuschauern. Streifen wie „The King's Speech“ oder „Slumdog Millionaire“ begannen ihre Siegeszüge in Toronto und sahnten anschließend auch bei den Oscars ab.
McQueen könnte 2014 sogar doppelt Geschichte schreiben: Bisher hat noch kein schwarzer Regisseur die begehrte Hollywood-Trophäe gewonnen, auch in der Kategorie „Bester Film“ wäre es das erste Mal.