Tintenherz-Film: Bösewichter aus dem Buch

Cornelia Funkes Roman „Tintenherz“ beginnt auf der Leinwand stark, endet leider kitschig.

Düsseldorf. Neben dem Grab von Ebenezer Scrooge steht der gläserne Schuh von Aschenputtel, und in einem Stein steckt das Schwert von König Artus. Ein Museum der Weltliteratur hat die zwölfjährige Meggie (Eliza Bennett) gerade aus Büchern herausgelesen, und der Schurke Capricorn ist höchst zufrieden mit seiner begabten Gefangenen.

Jetzt kann sie auch seinen Verbündeten im Kampf gegen das Gute, den Schatten, aus dem Buch "Tintenherz" herauslesen. Doch Meggie weigert sich. Da greift Capricorn Arturs’ Schwert Excalibur und will auf Meggie losgehen.

Doch natürlich steckt es fest; eine der wohltuend doppelbödigen Szenen in der Verfilmung von Cornelia Funkes "Tintenherz", dem ersten Band ihrer Bestseller-Trilogie aus der Tintenwelt.

Denn vor lauter Tempo, Action und bunten Fabelwesen kommen die Querverweise auf große Romane, Mythen und Sagen, die der Fantasy-Geschichte ihre Tiefe und auch viel Witz geben, notgedrungen ein wenig kurz.

Die Handlung des 570 Seiten starken Romans ist dagegen gekonnt gekürzt. Der Gaukler Staubfinger findet Meggies Vater Mo wieder, als dieser gerade eine der seltenen Ausgaben des Buches "Tintenherz" aufgetan hat.

Aus diesem Buch hatte Mo einst seiner Frau und Tochter vorgelesen - und plötzlich standen Staubfinger und Capricorn leibhaftig in seinem Wohnzimmer, seine Frau hingegen war in der Tintenwelt verschwunden.

Jetzt will jeder das Buch haben: Capricorn will seinen bösen Schatten, Mo will seine Frau zurück und Staubfinger will wieder zu seiner Familie.

Wie in den "Harry Potter"-Filmen lässt sich auch bei "Tintenherz" der Terror des Bösen als Diktatur in einer Parallelwelt gut in Szene setzen. Capricorns Männer verbrennen die Büchersammlung von Meggies Tante Elinor (herrlich überdreht: Helen Mirren) und setzen genüsslich die Liebe als Druckmittel ein.

Bei der Besetzung von Mo ist es Co-Produzentin Cornelia Funke gelungen, Brendan Fraser ("Die Mumie") gegen Kinokassen-Goldesel wie Brad Pitt oder Colin Farrell durchzusetzen. Bei Staubfinger hatte dann aber ganz offensichtlich Hollywood das Sagen.

Der Feuerspucker, im Buch ein wunderbar vielseitiger Charakter und von Narben entstellt, wird von dem bildschönen Paul Bettany (der Albino in "Sakrileg") gegeben, der etwas zu schnuckelig gerät.

Gar nicht schnuckelig sind indes Capricorns Männer. Sie wurden einst von Stotterer Darius aus "Tintenherz" gelesen, der sein Handwerk bei weitem nicht so gut versteht wie Mo und Meggie.

Auf ihrer Haut kleben deshalb noch überall die Wörter und Sätze, aus denen sie gemacht sind - eine tolle Idee für den Film. "Tintenherz" ist stellenweise sehr gruselig. Deshalb ist der Film zu Recht erst ab zwölf Jahren freigegeben. Das gilt aber nicht für das Ende. Das ist, anders als im Buch, geradezu erschreckend kitschig.

Das ist ärgerlich, vor allem weil es offenbar anders gedacht war. Nach Testvorführungen wurden einige Szenen nachgedreht, weil der ursprüngliche Schluss viele Zuschauer zu traurig stimmte. Schade.

Ein bisschen Tintenschmerz hätte nach all den bunten Figuren, schnellen Szenenwechseln und kurzen Dialogen gut getan.

Sollte der Film ein Kassenerfolg sein, wird sofort der zweite Teil gedreht, die Darsteller sind bereits für drei Produktionen verpflichtet. Doch Tintenwelt-Fans wird eine andere Nachricht viel brennender interessieren:

Cornelia Funke hat jüngst in einem Interview angedeutet, dass es ihr gar nicht gefällt, dass Bösewicht Orpheus entkommen ist, obwohl sie fest vorhatte, ihn im dritten Band "Tintentod" umzubringen.

Sie fürchtet, sie müsse "irgendwann herausfinden, was er in der Tintenwelt treibt", sonst richte er womöglich "schlimme Dinge" dort an. Das jagt Tintenwelt-Fans einen Schauer über den Rücken, der Kino-Regisseure äußerst neidisch machen dürfte.

Wertung: 4 von 5 Sternen