Georg Baselitz — der aufgeregte Weltstar
Ein Film zeigt den Maler zwischen kraftmeierndem Selbstbewusstsein und zarter Verletzlichkeit.
Düsseldorf. „Ich bin wahnsinnig aufgeregt . . . Ich bin grundsätzlich unsicher“ — hier spricht ein Weltstar der Malerei: Georg Baselitz, der es wahrhaftig nicht nötig hätte, vor der Ausstellungseröffnung in der New Yorker Gagosian-Gallery das Nervenflattern zu bekommen. Es ist ein Schlüsselmoment des Filmporträts. Der Deutsche ist ein Wilder, ein ewig Renitenter, wie er selbst sagt, der wegen „gesellschaftlicher Unreife“ von der Ostberliner Kunsthochschule flog. Aber hinter dem selbstbewussten Kraftmeier steckt, mal wieder, ein verletzlicher Mensch, der mit 75 Jahren vor der Ausstellung fragt: „Bist du noch da, akzeptieren die Leute das, lieben sie dich sogar?“
Die Regisseurin Evelyn Schels hat bereits 2004 ein Porträt für Arte über Baselitz gedreht. Aus dieser Arbeit ist ein guter Kontakt zu dem Künstler und seiner Frau Elke erwachsen. Das merkt man, etwa wenn das seit 1962 verheiratete Paar vor der Kamera in einen Disput gerät. Er: „Du bist erfolgsbetont, viel mehr als ich.“ Sie: „Du bist doch ehrgeizig wie nichts.“ Denn: „Die Nummer drei in der Welt zu sein, das reicht ihm gar nicht.“
Es hat gedauert, bis der Maler, der sich 1961 nach seinem Heimatdorf Baselitz nannte, oben ankam. Prägnant erzählt er von der Kindheit im NS-Deutschland, von der Nachkriegszeit auf dem Dorf, wo es viele Flüchtlinge und wenig zu essen gab, und dem kleinen Georg, der „extrem aggressiv“ war und anders sein wollte als alle anderen: „Das Malersein gehörte unbedingt dazu.“ Dann die Westberliner Jahre mit den Jobs für 80 Pfennig in der Stunde.
Schels blendet dazu — etwas kurz — entsprechende Werke ein, die gesellschaftliches und privates Erleben kraftvoll reflektieren.
Der Film beobachtet Baselitz, wie er vor seinen auf dem Boden liegenden Bildern kniet, breit Farbe aufträgt, hier tupft, da wischt. Ein anderes Mal traktiert er einen 1,50 Meter dicken Baumstamm mit Motorsäge und Axt. Das Geheimnis seiner Kunst erklären diese Bilder natürlich auch nicht. Aber sie geben eine Ahnung, wie er sich heranarbeitet.
„Ich arbeite ausschließlich mit Disharmonien“, sagte er etwa 1987, „mit der Zerstörung, dem Hässlichen. Das Unglück ist: Die Harmonie stellt sich immer wieder ein.“ Ähnlich zwiespältig stelle man sich das Familienleben vor. Während Sohn Anton, der wie sein Bruder Daniel eine Galerie betreibt, ihn als Patriarchen erinnert, sieht sich Künstler Georg Baselitz selbst als „ganz wacklige Figur: Am Tisch hört mir keiner zu“.