Anselm Kiefer: „Ich verkaufe nicht an jeden“
Düsseldorf. Der Maler Anselm Kiefer über seine ewige Suche und Pläne, sein Werk nach Duisburg zu verlagern.
Herr Kiefer, Ihr Lächeln scheint so gar nicht zu ihren düsteren Bildern zu passen.
Kiefer: Ich bin überhaupt nicht düster. Ich mag die Komik. Zwar ist alles sehr tragisch, aber die Tragikomik ist ja noch viel tragischer als die Tragik allein. Die Welt ist absurd, sie ergibt keinen Sinn. Niemand weiß, woher wir kommen und warum wir hier sind. Warum die Evolution zu uns geführt hat.
Sie sind immer auf der Suche?
Kiefer: Ich bin nie zufrieden, das ist nicht meine Art. Ich denke, es ist noch alles offen. Ich bin noch nicht da, wo ich hinwill. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand gut arbeitet und zufrieden ist. Wer zufrieden ist, könnte sich ja auf der Couch zurücklehnen und nichts mehr tun. Das kann ich nicht.
Wo wollen Sie denn noch hin?
Kiefer: Das sage ich nicht. Das Motiv für meine Arbeit verrate ich auch nicht. Es ist auch gar nicht wichtig, weil das Ergebnis nie mit der Motivation zusammenfällt. Jedes Bild hat eine Motivation, doch was am Ende zu sehen ist, hat damit oft nicht viel zu tun.
Machen Sie sich mit 66 Jahren manchmal Gedanken, was aus Ihren Werken wird, wenn Sie nicht mehr sind?
Kiefer: Sie verändern sich weiter. Ich habe vor einem Jahr für eine Ausstellung in London Bilder mit Elektrolyse gemacht — Kathode, Anode, und das Material wandert. Sie sehen jetzt schon wieder ganz anders aus. Schöner. Wenn sich etwas verändert, ist es doch wunderbar.
Und wo würden Sie Ihre Werke gern aufgehoben wissen?
Kiefer: Ich habe in Südfrankreich viele Gebäude errichtet, die für sich Kunst sind und in denen Werke von mir hängen. Es wäre schön, wenn sie erhalten blieben.
Und in ihrer deutschen Heimat?
Kiefer: Ich bin in Verhandlungen mit dem Hafenmeister in Duisburg. Er hat mir einige Hektar auf einer Halbinsel angeboten, wo Rhein und Ruhr zusammenfließen. Wo sich Flüsse treffen, ist ja immer ein besonderer Ort. Dort könnte ich verschiedene Gebäude errichten, für die Kunst und als Teil der Kunst. Denn jedes Bild muss einen bestimmten Raum erhalten. Ich bin kein Freund von schwellenlosen Museen. Ich bin für die Schwelle. Wer ein Museum betritt, betritt eine andere Welt: Er ist nicht mehr im Leben, sondern in der Kunst.
Ärgert es Sie, dass die Kunst zum Spekulationsobjekt geworden ist?
Kiefer: Diese Art der Spekulation ist absurd: wenn einer ein Bild kauft und ein halbes Jahr später für den doppelten Preis losschlägt. Aber das kann man nicht ganz verhindern. Deshalb verkaufe ich nicht an jeden. Ich achte darauf, dass der Sammler mir entspricht.
Sie haben 2008 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten. Was bereitet Ihnen beim Thema Friede heute Sorge?
Kiefer: Die meiste Sorge macht mir Europa. Es ist absolut notwendig, dass wir Europa bewahren und vergrößern, wir brauchen eine europäische Regierung. Das meine ich schon lange. Es ist ja sehr viel Schmutz über Helmut Kohl ausgeschüttet worden, aber er hat zumindest die europäische Idee hochgehalten. Ich würde vieles darum geben, damit Europa Europa wird. Außerdem bin ich ja ein Verfechter des Heiligen Römischen Reiches — es muss ja nicht deutscher Nation sein. Das war eine große Idee, die fast alles umfasst, was wir heute wollen.