Pergamonmuseum: „Operation am offenen Herzen“

Berlin (dpa) - Von oben baumelt eine abgerissene Neonleuchte herunter, und an der Wand steht noch „Ständige Ausstellung“. Aber die einstige Tür dorthin ist nur mehr ein gähnendes Loch. Darunter öffnet sich eine gigantische Baugrube.

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Im ehemaligen Ehrenhof des Pergamonmuseums legen Bagger behutsam altes Gemäuer frei, ein Spezialgerät treibt bis zu 20 Meter lange Pfähle in den Grund, der Betonmischer läuft heiß.

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Berlins größtes und beliebtestes Museum mit mehr als einer Million Besuchern im Jahr hat sich in eine Mammutbaustelle verwandelt, noch dazu in eine höchst ungewöhnliche. Denn im Inneren liegt der Saal mit dem weltberühmtem Pergamonaltar, einem der großartigsten Kunstwerke der Antike. Weil der monumentale Steinkoloss - eine Rekonstruktion mit den hochempfindlichen Originalfriesen - aus Sicherheitsgründen nicht ausgebaut werden sollte, steht die Sanierung des Hauses unter besonderen Vorzeichen.

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„Dieses Projekt ist anders als alles, was wir bisher auf der Museumsinsel gemacht haben“, sagt Barbara Große-Rhode, Referatsleiterin beim verantwortlichen Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). „Hier ist die historische Architektur des Hauses unmittelbar mit den Kunstwerken verbunden. Deshalb sind völlig andere Schutzmaßnahmen erforderlich.“

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Knapp ein Jahr ist es her, dass die Besucher einen letzten Blick auf den Altar mit dem legendären Gigantenfries werfen konnten. Seither sind die steinernen Zeugnisse aus dem 2. Jahrhundert vor Christus in einen akribisch überwachten Dornröschenschlaf versetzt. Eine stabile „Einhausung“ aus metallenen Steckplatten schützt den mehr als 33 mal 35 Meter großen Säulenbau vor Schlag und Staub, die monumentale Freitreppe in der Mitte ist mit Pressholz gesichert.

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Hinter diesem Schutzschild führen die olympischen Götter um Zeus und seine Tochter Athene nun still den Kampf gegen die irdischen Giganten. Besonders gefährdete Teile des Hochreliefs sind mit Spezialgurten gesichert - hier der kraftvoll ausgereckte Arm eines Kriegers, dort der anmutig vorgeneigte Kopf einer Göttin. Die einzelnen Friesplatten wurden mit Abstandshaltern gegeneinander fixiert, sogenannte Rissmarken sollen kleinste Verschiebungen anzeigen.

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Dazu gibt es ein ausgeklügeltes System elektronisch gesteuerter Kontrollen: Luftfeuchtigkeit und Temperatur werden rund um die Uhr überwacht. Zudem zeigen Sensoren an den Säulen an, wenn es durch die Bauarbeiten zu unliebsamen Schwingungen kommt. Und um den Altar sind - wie an vielen anderen Stellen der Hauses - waagerecht dünne Schläuche mit einer bläulichen Flüssigkeit gespannt.

Gäbe das Fundament auch nur einen Millimeter nach, schlüge die digitale Anzeige an - Bauleitung und Planer würden in Echtzeit informiert. Schon bei den festgelegten „Voralarmwerten“ sollen sie eingreifen und notfalls die Arbeiten stoppen.

„Irgendwann werden wir einen Zustand haben, bei dem - überspitzt gesprochen - der Raum keine Decke und keinen Boden mehr hat. Und dafür muss der Altar natürlich entsprechend geschützt sein“, sagt Christina Haak, stellvertretende Generaldirektorin der Staatlichen Museen zu Berlin.

Tatsächlich haben die Experten dem Haus eine ziemliche Radikalkur vorordnet. Der bis in die Kaiserzeit zurückreichende Bau, 1930 nach Plänen des Architekten Alfred Messel eröffnet, ist in Teilen marode, die Technik überaltet, eine Klimaanlage fehlt. Nun wird das Gebäude von Grund auf saniert und an moderne Museumsstandards angepasst.

Das Projekt läuft im Rahmen des Masterplans für die Berliner Museumsinsel, die mit ihren fünf Häusern seit 1999 unter dem Schutz der Unesco steht. Um dies Sammlungen antiker, vorderasiatischer und islamischer Kunst im Pergamonmuseum nicht auf Jahre hinaus ganz schließen zu müssen, läuft die Renovierung in zwei Abschnitten.

2013 begannen die Bauarbeiten im Nordflügel, im vergangenen September wurde auch der mittlere Trakt mit dem Pergamonaltar geschlossen. Im Südflügel sind, buchstäblich Tür an Tür zur Großbaustelle, weitere Glanzstücke wie das Markttor von Milet, die Mschatta-Fassade und das Ischtar-Tor unverändert zu sehen.

„Wir operieren am offenen Herzen und sind doch froh, dass der Museumsbetrieb trotz großer Einschränkungen weiter läuft und das Haus auch ohne Altarsaal gut besucht ist“, sagt Hermann Parzinger, als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz oberster Bauherr auf der Museumsinsel.

385 Millionen Euro hat der Bundestag für das Gesamtprojekt bewilligt, bis 2025/26 soll es fertig sein. Allein durch die lange Planungs- und Bauzeit, räumt das Bundesbauamt ein, seien „Kosten- und Terminfortschreibungen“ nicht auszuschließen. Oder wie Bauherr Parzinger gern sagt: „Bei Sanierungen im alten Bestand ist man auch bei guter Planung vor Überraschungen nicht gefeit.“