Villa Hügel in Essen: Diamanten zu besichtigen
Das Museum Folkwang erhält derzeit einen Neubau. Deshalb zeigt es rund 120 seiner Klassiker in der Villa Hügel.
Essen. Fährt man mit dem Bus oder der S-Bahn zur Villa Hügel und geht dann die letzten 300 Meter zu Fuß durchs Grüne, wird man relativ unscheinbar alsbald darauf aufmerksam gemacht - obwohl man das herrschaftliche Anwesen noch nicht einmal aus der Ferne sieht: "Sie befinden sich auf Privatgelände."
Und wenn man die Familiengeschichte derer von Krupp von Bohlen und Halbach ein wenig kennt, so wundert man sich, als wenig später Hartwig Fischer, Direktor des Folkwang Museums, erklärt, die Villa Hügel hätte weit und breit die schönsten Ausstellungsräume.
Doch an diesem Tag dankt hier jeder jedem: Fischer dem "Hausverwalter" Paul Vogt von der Kulturstiftung Ruhr, welche das Anwesen unterdessen verwaltet, aber auch Berthold Beitz, der nicht nur den Museums-Neubau finanziell über die Krupp-Stiftung ermöglicht, sondern auch die Kosten dieser Ausstellung gewiss mitträgt. Und der die Idee dazu "bei einem Spaziergang auf Kampen" hatte, wie er gestern verriet. Beitz wird im September 95 Jahre alt.
Die Ausstellung mit dem Titel "Renoir, Monet, van Gogh - Gauguin, Matisse, Dalí. Villa Hügel zeigt Folkwang" präsentiert in 15 Räumen im Obergeschoss Malerei und Skulptur von 54 Künstlern sowie Fotografie, Grafik und Plakate von 32 Künstlern - insgesamt 120 Werke. Gewiss, dies ist keine sensationelle Einzelausstellung oder Retrospektive und auch keine Themenschau.
Doch noch nie hat ein Museum so lange - über 15 Monate weg - seine Perlen und Diamanten in aller Öffentlichkeit ausgebreitet. Und um solche handelt es sich hier fast ausnahmslos; insofern verdient die Schau das Etikett "spektakulär". Auch wenn, wie Paul Vogt erzählt, von den über tausend Gemälden, die die Nationalsozialisten als "entartet" raubten, nach dem Krieg nur noch zwölf zurückerworben werden konnten.
Beginnt man bei Delaunay und Léger, kann man von der französischen Avantgarde jener Zeit lückenlos auch die deutsche Avantgarde abschreiten. Doch die hier gezeigte Sammlung umspannt ein ganzes Jahrhundert, von 1850 bis 1950. Zeitgenössische Kunst findet man hier nicht, nur die wahren Klassiker der Moderne. Aktuelle Kunst solle immer dem Museum Folkwang vorbehalten sein, versichert Vogt.
Traumhaft träumerische Kandinskys, einen feinen Feininger ("Gelmeroda", 1926), real-surreal der "Todessturz Karl Buchstätters" in rabenschwarzer Nacht mit dem Segelflugzeug von Franz Radziwill - man wandert durchs Jahrhundert. Man betrachtet van Goghs Porträt und Ufer mit den vertäuten Schiffen von 1888, der nur ein knappes Jahr später schon von der Irrenanstalt Saint Rémy aus den Park und einen "Schnitter" malte, dass man meinen könnte, er habe unter medizinischen Drogen gestanden. Und dazwischen hängt, ganz logisch, der "Wirsingkohl" vom belgischen Zyniker James Ensor.
Neben Rodin begegnen uns Medardo Rosso und Aristide Maillol; Giacometti leider nur - doch nichtsdestotrotz faszinierend - als Grafik. Überhaupt sind viele Porträts erstaunlich oder auch an diesem Ort hochironisch, was vor allem für die Plakate aus Berlin gilt, auf denen die Arbeiter die Revolution ausrufen.
Drei Groß-Ausstellungen sind fest für das Kulturhauptstadt-Jahr 2010 im dann neu eröffneten Folkwang Museum geplant: Die erste schildert die Geschichte des Hauses bis 1933, die zweite zeigt den Rock’n’Roll in der Fotografie und die dritte ist einer Metropole gewidmet: Paris zwischen 1865 und 1895. Bleibt nur zu wünschen, dass die Bauplung klappt.