Zwei deutsche Maler im Duell
Zwischen Gerhard Richter und Dirk Skreber liegen Welten. Baden-Baden zeigt Werke der international begehrten Künstler.
<strong>Baden-Baden. In Baden-Baden steht die deutsche Malerei auf dem Prüfstand. Im Museum Frieder Burda lotet der 76-jährige Gerhard Richter die Wirkung seiner Kunst im Dialog mit der Natur vor der Tür aus. In der benachbarten Kunsthalle sorgt der 47-jährige Dirk Skreber in einer von Matthias Winzen geplanten Schau für ein Energie-Zentrum der Bild-Gewalt. Beide Maler haben an der Düsseldorfer Kunstakademie gelernt und jahrzehntelang in Düsseldorf gelebt, dennoch liegen nicht nur Jahre, sondern Welten zwischen ihnen. Skreber beweist sich als der Vollblutmaler der Gegenwart, Richter als der intellektuelle, geschmäcklerische Künstler. Skrebers Bilder waren stets betont banal und hintersinnig, ästhetisch anziehend und unterschwellig bedrohlich. Mit dem Wechsel von Düsseldorf nach New York, 2004, gewann seine Kunst eine ungeheure Großzügigkeit, die sich in kolossalen Formaten äußert. Sie gewann aber auch eine neue Selbstverständlichkeit und Sinnlichkeit, gepaart mit einem hintergründig-teuflischen Lachen. "Killer-Räder" (Killer Wheels) sausen wie frei gestellte Geschosse durch verführerisch schöne Landschaften. Diese farbigen Hintergründe erinnern in ihrer Weitläufigkeit an William Turner oder Yves Tanguy. Ihre romantische Attitüde ist betörend in einer nicht genau fassbaren Melancholie. Doch die Emotionen werden gebrochen, die Räder mit den blitzenden Radkappen und Radmuttern, auf Hochglanz poliert und hyperrealistisch nach amerikanischem Vorbild wiedergegeben, wirken wie pure Energie. Alle Metallteile sind bravourös gemalt, Rubens, Tizian und Tintoretto grüßen von fern. Die Geschosse dringen in eine unendliche Ferne und werden zugleich aus dem Bild herausgeschleudert. Skreber zieht alle Register, und doch übt er sich auch in Distanz. Den Luftraum lädt er orangefarben auf und schickt grünlich-giftige Blitze dahin, um sie mit wirbelnden Gegenständen, kippenden Hochhäusern oder zerstörten Wohnwagen zu attackieren. Der Düsseldorfer in New York sorgt aber auch inhaltlich für Vielschichtigkeit. So bettet er ein eng umschlungenes, tanzendes Pärchen auf einen Vinyldruck mit dem Motiv von Nuklear-Fabriken. Die Jugendlichen tanzen und lieben sich auf dem Vulkan. Ein Hochformat namens "C.A.C.T.U.S." verheißt ein Südseeparadies, entpuppt sich aber als radioaktiv verseuchtes Atoll. Und bei "Air Force One" sehen wir die amerikanische Präsidentenmaschine im Hintergrund in Flammen aufgehen, während im Vordergrund Terroristen am Fernzünder hantieren.
Die unsinnliche Kunst Richters erinnert an eine Versuchsanordnung
Derlei Motive sind nicht eindeutig, sondern mit Streifen aus Tesamoll beklebt oder mit Farbpaste zersetzt, so dass sich ein flimmerndes Bildraster ergibt. Die suggestiven Panoramen scheinen im Begriff zu sein, mitsamt ihrer malerischen Sprengkraft zu explodieren. Die amerikanische Politik und ihre Katastrophen, gesichtet von einem Außenstehenden, wirkt schurkisch schön. Vor zwei Jahren zeigte Skreber in der Kölner Galerie Campagna ein Sprungbrett über einem Abgrund, das von einem Tresorschrank gehalten wurde. Dieser vitale Prozess im Erzeugen böser Bilder prallt an der extrem unsinnlichen Kunst des Gerhard Richter ab, die eher an eine Versuchsanordnung erinnert. Dessen Bilder sind kühl, fast energie- und emotionslos. Sie verweigern sich und bleiben pure ästhetische Vollendung. Das Auslöschen durch Übermalen und das Verwischen mit der Rakel erweisen sich im Vergleich zu Dirk Skreber als vorsichtiges Taktieren. Richter lässt das reale Bild stets entgleiten, es wirkt wie eine Metapher des Scheiterns. Skreber erzeugt Obsessionen mit befreiender Wirkung.Dirk Skreber
Vita: Dirk Skreber wurde 1961 in Lübeck geboren und studierte von 1982 bis 1988 in Düsseldorf bei Alfonso Hüppi. Von 1994 bis 1995 hatte er einen Lehrauftrag in Karlsruhe. 2000 erhielt er den Preis der Freunde der Nationalgalerie Berlin für junge Kunst. 2004 siedelte er von Düsseldorf nach New York über.
Ausstellung: Baden-Baden, Lichtentaler Allee, di-fr 11-18 Uhr, Staatliche Kunsthalle, Dirk Skreber, bis 13.4.; Museum Frieder Burda, Gerhard Richter, bis 27.4.