Shakespeare-Drama am Schauspielhaus Düsseldorf Othello als fremdgesteuerter General

DÜSSELDORF · Kein Venedig, kein Dogen-Palast, und dennoch spielt Bongile Mantsai Shakespeares Othello. Der südafrikanische Mime schwarzer Hautfarbe, in seiner Heimat besonders als Kinostar gefeiert, ist als „Artist in Residence“ in Düsseldorf.

Kaum fassbare Wesen: Pauline Kästner als Desdemona, Bongile Mantsai als Othello.

Foto: Sandra Then

Auf der Bühne spricht er Englisch, gemischt mit einer südafrikanischen Sprache.

Klar, dass die südafrikanische Regisseurin und Autorin Lara Foot das Original in der Übersetzung von Erich Fried umgeschrieben und unserer Sprache angepasst hat. Klar auch, dass Shakespeares Bezeichnung „Mohr von Venedig“ in Foots Titel nicht mehr erscheint. Das wäre wohl heute politisch unkorrekt. Eigentlich sei das Stück gar nicht mehr aufführbar, meint Lara Foot. Im Düsseldorf Schauspielhaus wagt sie es dennoch und legt dabei den Finger in die Wunde des rassistischen Kolonialismus. So handelt es sich bei den Kämpfen, für die europäische Kolonialherren dringend einen „schwarzen“ General benötigen, vermutlich um Aufstände in den Kolonien.

Foot reißt somit die Tragödie um Liebe und Eifersucht, Hass und tödliche Rache aus dem Renaissance-Rahmen heraus und platziert sie ins späte 19. Jahrhundert. Da sitzen die Machthaber in blauen Uniformen mit Goldleisten (Wilhelminisches Kaiserreich lässt grüßen!), auf Podesten mit Afrika-Karten und schieben Gebiete auf der Karte hin und her (Ausstattung: Gerhard Marx). Nur einer kann Herr der Lage werden, meinen sie – Othello, den sie meist „den Schwarzen“ nennen. Er nimmt stolz den Auftrag der Herrscher an und macht sich mit seiner Frau Desdemona auf den Weg.

Der Kern bleibt jedoch das Böse – verkörpert durch Jago: In Foots herkömmlicher, arg angestaubter Inszenierung mutiert Othellos Fähnrich Jago zur Hauptfigur und zum Dreh- und Angelpunkt. Tief verletzt ist Jago, weil Othello nicht ihn zu seinem Leutnant gemacht hat, sondern Cassio. Aus dieser Verletzung heraus sinnt er auf Rache gegen Othello und Cassio und setzt einen teuflischen Plan Zug um Zug um.

Nicht als finsterer Mephisto, der den Zuschauer in seine Seele und tiefe Abgründe blicken lässt, kommt Jago in überlangen, knapp dreieinhalb Stunden über die Rampe. Vielmehr als aalglatter, zynischer Unterhalter des Bösen: Unversöhnlich und kalt sitzt er (Wolfgang Michalek zu Bestform auflaufend) auf der Bühnenrampe, analysiert sich, Othello, Cassio, Desdemona und Freund Rodrigo. Munter plaudert er seine Intrigen aus: Seine Beweggründe und die Pläne, die er schmiedet, um Othello zu ruinieren und zum Töten seiner Frau anzustiften. Er zieht die Fäden, die anderen werden zu Marionetten. Jago bedient sich sogar der eigenen Frau, um an das berühmte Taschentuch zu kommen, um Othellos Misstrauen und tödliche Eifersucht gegen Desdemona zu schüren.

So zieht die Handlung (mit Übertiteln für Englisch gesprochene Dialoge) wie ein leicht verständlicher Vorabend-Krimi vorüber. Die Charaktere bleiben eindimensional, flach, fern von Psycho-Spannung und Rätseln. Wenn es eins gäbe, würde Jago es gleich wortreich erklären. Widerstands- und geheimnislos entwickeln sich auch die anderen Figuren. Selbst Pauline Kästner erhält als Desdemona (ohnehin eine schwach konzipierte Figur) kaum Gelegenheit, aus der breiten Fläche herauszuwachsen und der Rolle berührende Tiefe zu verleihen.

Fern- und fremdgesteuert bleibt Othello. Er eilt schnell davon, meist auf der Flucht vor sich selbst, denkt man. Bongile Mantsai liefert als Othello das Bild eines nur selten fassbaren Wesens, das wenig innerliche Stärke aufweist. So entscheidet sich die Regie gegen ihn als Mörder seiner Frau und weicht damit vom Shakespeare-Original ab. Lara Foot traut Othello den Mord nicht zu. Stattdessen wälzt er sich in Alpträumen, während Jago Desdemona erwürgt. Bleibt Othello nur noch, mit dem Leichnam seiner geliebten Gattin durch die Nacht zu irren. Herzlicher Applaus.

Tel.: 0211/369911
Termine: 7., 11., 25. Sept., 1., 9., 27. Okt.