Aura Dione: Mit Luftballons auf Entdeckungsreise
Binnen weniger Wochen mauserte sich die Dänin Aura Dione zur Chartkönigin. Ihr Rezept: Schräges Outfit, Ironie – und ein Ohrwurm.
Die Begleitumstände des Gesprächs sind eigentlich denkbar schlecht: Zehn Minuten per Telefon, kurz vor der Verleihung der EinsLive-Krone. Länger ginge es leider nicht. Dann, als es so weit sein soll, wird das Interview auch noch zweimal nach hinten verschoben. Aura Dione müsse erst über den roten Teppich, heißt es. Danach sei wieder mehr Luft.
Mehr Zeit allerdings nicht. Es bleibt bei zehn Minuten - die amüsanter nicht sein könnten. Entgegen der Erwartung, nur wieder ein paar abgebrühte und auswendig gelernte Sätze über plötzlichen Erfolg und grenzenlose Dankbarkeit gegenüber den Fans zu hören zu bekommen, entpuppt sich die frisch gebackene Chartstürmerin Aura Dione als kokette Kicherkatze. Die Grußformel radebricht sie auf Deutsch, wohl wissend, dass es unbeholfen klingt. Deswegen fängt sie auch an zu lachen. Herzhaft. Etwas dreckig. Wäre das ein Fotoshooting, würde der Fotograf jetzt sagen: "Gut, bitte so bleiben!" Für die 23-Jährige offenbar kein Problem.
Ihr erster großer Auftritt in Deutschland steht bevor. Grund: Die Single "I Will Love You Monday (365)" hat sich vom Airplay-Liebling zum Verkaufsschlager gemausert. Deswegen wird sie den aufgekratzten Ohrwurm bei Deutschlands wichtigstem Radiopreis singen. Auf die Frage, ob sie Lampenfieber habe, schnappt sie mit gespielter Entrüstung: "Aufgeregt? Ich? Nein, ich bin die Ruhe selbst. Für Aufregung bleibt gar keine Zeit."
Zeit mag derzeit vielleicht knapp gesät sein. Aber jede Menge Gründe gäbe es für Aura Dione, sekündlich aus der Haut zu fahren: In ihrer Heimat Dänemark läuft bereits seit Anfang des vergangenen Jahres alles wie am Schnürchen. Sie verkauft Singles und Alben, steigt zudem dank ihrer unkonventionellen Art, sich zu kleiden und zu inszenieren, zur Mode-Ikone auf. Ihre Klamotten designt sie selbst, bei ihren durchgeknallten Videos führt sie höchstpersönlich Regie. Dass Dänemark für dieses Multitalent irgendwann zu klein würde, war vorgezeichnet.
Tatsächlich ergattert sie einen Plattenvertrag bei der deutschen Universal. Und schafft es, binnen weniger Wochen hierzulande noch erfolgreicher zu werden als in ihrer Heimat. "I Will Love You Monday (365)" steigt direkt in die Top Ten der deutschen Charts ein, vier Wochen später thront der Titel bereits auf der Poleposition. "Ich weiß", sagt sie dazu, "das ist völlig verrückt. Aber ändern kann ich es jetzt auch nicht mehr." Sie lacht wieder. "Ich versuche einfach, das alles, was gerade mit mir passiert, so gut wie möglich zu genießen."
Diese ungewohnte Gelassenheit schöpft sie wahrscheinlich aus ihrem jungen, aber bewegten Leben. Die Eltern waren Hippies, reisten viel mit ihrer Tochter und ließen sie früh eigene Wege gehen. Das führte sie mit 17 nach Australien, wo sie einige Monate bei einem Aborigine-Stamm lebte. "Ich brauchte das - mal etwas völlig anderes sehen." Beeinflusst diese Zeit auch heute noch ihre Musik? "Nein. Man muss auch loslassen können."
Auch musikalisch ist ihr Entdeckergeist groß: Sieben verschiedene Instrumente beherrscht sie. Es gibt fast nichts, was sie nicht spielen kann. Wirklich nichts? "Doch, die Harfe", sagt sie spontan. "Meine Tante, eine Deutsche, war eine gute Harfenistin." Ob sie sich vorstellen könnte, auch die Harfe noch zu lernen? "Klar", prustet sie: "Wenn ich mal 80 bin vielleicht!"
Tatsächlich ist die Harfe so ziemlich das Einzige, was auf dem Album nicht zu hören ist. Ihre Tracks, allesamt selbstgeschrieben, sind eine gefällige Mischung aus Balladen, rockigen Pop-Songs und launigen Uptempo-Nummern, eine Platte, bunt wie die Luftballons, die Dione überall mit hinschleppt. "Ich mag es, mir die Dinge zurecht zu malen", sagt sie. Im Grunde ist das eine Variation des guten alten Pippi-Langstrumpf-Mottos: "Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt."