Comeback mit 86: Morricone rollt Klangteppich aus

Berlin (dpa) - Es heulen die Kojoten, die Oboe klagt und Trompeten samt Trommelwirbel lassen an Kriegsgetümmel denken. Wenn es um die passende Untermalung von Filmszenen geht, werden an diesem Abend alle Register gezogen - nur die Mundharmonika schweigt.

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Ennio Morricone ist zum ersten von fünf Konzerten nach Deutschland gekommen und wird vom Berliner Publikum von Beginn an auf Händen getragen.

Dabei hat der 86-jährige Filmkomponist sein wohl bekanntestes Stück aus dem Italo-Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ mit der Mundharmonika gar nicht im Programm. Seine Verehrer sehen es dem Maestro gern nach. Dieser wirkt nach seiner Rückenverletzung, die ihn fast ein Jahr lang zum Pausieren zwang, frisch und vital - auch wenn er die rund 170 Musiker auf der Bühne der O2-World-Halle immer wieder halb sitzend dirigiert. Die dickrandige Brille, eines seiner Markenzeichen, ist mit einem Gummizug im Nacken gesichert.

Seit Anfang Februar ist Morricone auf Europatournee, um einmal mehr einen Querschnitt seines Schaffens aus mehr als 50 Jahren zu bieten. Mehr als 500 Kompositionen sind zusammengekommen, davon „nur“ gut 30 für Western wie „Zwei glorreiche Halunken“ oder „Für eine Handvoll Dollar“, die ihn jedoch in den 1960er Jahren weltberühmt machten.

Dafür hat er bis jetzt so ungefähr alles an Preisen und Auszeichnungen erhalten, was die Film- und Musikbranche zu bieten hat. 2007 erhielt Morricone den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk, 2013 den Europäischen Filmpreis. Dazu kommen unter anderem drei Golden Globes und ein Grammy. Der alte Römer könnte sich also ruhigen Gewissens zur Ruhe setzen, tourt aber stattdessen seit 2001 unermüdlich rund um den Globus und schreibt weiter Musik.

Er wie auch die rund 86 Musiker des Tschechischen National-Symphonieorchesters und 76 Sänger des ungarischen Kodaly Chors zeigen sich am Dienstagabend bestens aufgelegt. Dazu kommt die Sopranistin Susanna Rigacci, deren Stimme sich etwa beim Song „Ecstasy of Gold“ aus dem Streifen „Zwei glorreiche Halunken“ in schwindelnde Höhen schraubt.

Sobald Ohrwürmer wie das Intro zu diesem Film mit dem markanten Kojotengeheul oder „Gabriel's Oboe“ aus „Mission“ erklingt, gibt es schon offenen Szenenapplaus. Dass die rund 9000 Zuhörer fassende Halle mit etwa 7400 nicht ausverkauft ist, tut der tollen Stimmung keinen Abbruch.

Vielleicht um nicht dauernd auf das Western-Genre festgelegt zu werden, hat Morricone gleich mehrere Stücke aus dem Gangster-Epos „Es war einmal in Amerika“ von Regisseur Sergio Leone und aus der Liebeserklärung ans Kino, Giuseppe Tornatores „Cinema Paradiso“, ins Repertoire genommen. Ob Harfe, Flügel, oder E-Gitarre - eine Reihe von Instrumenten bekommen ihr Solo. Und natürlich immer wieder die Trompete, für die Morricone als 18-Jähriger 1946 während seiner musikalischen Ausbildung ein Diplom erwarb.

Am Ende gibt es vier Zugaben - und eine Überraschung für die Hauptperson: Aus der Hand eines Enkels von Nelson Mandela erhält Morricone einen Preis der Stiftung „Cinema for Peace“, der sein soziales Engagement würdigen soll. Seine Musik wecke starke Emotionen, sagt der Mandela-Enkel. Und sie lasse die Menschen Frieden mit der Welt schließen.