Comebacks: Beach Boys, Dexys und Bobby Womack
Berlin (dpa) - Streit, Spleens, Sucht und Jahrzehnte des Schweigens - aber jetzt melden sich The Beach Boys in Urbesetzung, die Britpop-Legenden Dexys und US-Soulmann Bobby Womack topfit zurück. Mit unpeinlichen bis überragenden Alben zelebrieren sie die hohe Kunst des Comebacks.
Rund 40 Jahre ließen sich die Beach Boys Zeit, bis sie ihre Streitereien begruben und in Urbesetzung für eine neue Platte ins Studio gingen. Die britische Soulpop-Band Dexys Midnight Runners gönnte sich 27 Jahre und verzieh ihrem Boss Kevin Rowland all seine Allüren, um an die großen Alben der Achtziger anzuknüpfen. Bobby Womack musste erst seine Drogensucht hinter sich lassen und wird nun, nach über 15 Jahren im totalen Abseits, als einer der größten US-Soulsänger neu entdeckt. In diesem Sommer sind sie alle mit starken Comeback-Werken zurück.
Der Sommer - das war und ist die einzige Konstante für die Beach Boys, die seit einem halben Jahrhundert über Sonne, Surfen, sexy Girls und das damit verbundene Lebensgefühl sinnieren. Mit hochkomplexen Alben wie „Pet Sounds“ oder dem erst im Vorjahr in prachtvoller Gänze veröffentlichten Konzeptwerk „Smile“ schrieben der geniale Songwriter Brian Wilson und seine schönsingenden Mitstreiter Musikgeschichte. Doch seit den 70er verdunkelte sich die Welt der klassischsten aller US-Popbands. Es folgten Drogenabstürze, Tingeltangel-Tourneen der Rest-Beach Boys, statt „Endless Summer“ nur endlose Streitereien um Sounds, Songtexte, Geld und Namensrechte.
Nun, zum 50-jährigen Bestehen, kehren die noch lebenden Beach Boys in Sixties-Originalbesetzung zurück, also inklusive der Hauptstreithähne Wilson und Mike Love. Auf dem Album mit dem hübschen Retro-Titel „That's Why God Made The Radio“ reimen sie immer noch „sun“ auf „fun“, auch unterläuft den fünf betagten Herren mancher Fehltritt in allzu harmlos-süßliche Easy-Listening-Gefilde.
Aber meist zünden diese Melodien. Majestätisch-gelassen gleiten sie dahin, wie ein Straßenkreuzer auf dem „Pacific Coast Highway“ (Songtitel), driften auch mal ins Melancholische ab. Die Harmoniegesänge sitzen so atemberaubend perfekt wie weiland 1962. Und mit dem grandiosen Titelsong oder der dreiteiligen Songsuite am Schluss fügen die Beach Boys ihrem Katalog potenzielle Klassiker hinzu. Kompliment: Mit diesem würdevollen Comeback haben die Oldies ihrer Legende jedenfalls keinen Schaden zugefügt.
Fast noch spleeniger als Brian Wilson verhielt sich nach seinem weltweiten Durchbruch mit den Dexys Midnight Runners der Engländer Kevin Rowland (58). Sein mitreißender Folk-Punk-Kracher „Come On Eileen“ war 1982 weltweit Nummer 1, das Album „Too-Rye-Ay“ ebenfalls ein Riesenerfolg - da verlor Rowland den Faden. Peinlicher Höhepunkt war Ende der 90er Jahre ein Festival-Auftritt in Damenunterwäsche. Der hochtalentierte Singer/Songwriter hatte alles verspielt, hin und wieder las man noch von unrealistisch klingenden Comeback-Plänen.
Umso überraschender jetzt, nach fast 30 Jahren, Rowlands Rückkehr unter dem verkürzten Bandnamen Dexys mit dem hinreißenden Album „One Day I'm Going To Soar“. Dies ist keine müde Nostalgie-Platte eines desillusionierten Endfünfzigers, sondern eine geistreiche Song-Revue mit viel bläser- und streicherverziertem Soul, edlem Pop und etwas Jazz. „Es ist meine Aufgabe, mich von der Vergangenheit abzusetzen“, sagte Rowland dem britischen Magazin „Uncut“. Freilich sorgen einige Mitstreiter aus alten Zeiten dafür, dass sich das Album dann doch nicht allzu sehr vom typisch energiegeladenen Dexys-Sound entfernt.
Die elf Lieder dieser in Großbritannien euphorisch gefeierten Platte sind von einer Weltklugheit, die ein spinnerter Kerl wie Rowland wohl wirklich erst durch Irrwege und Exzesse finden konnte. Und wenn der abgewetzt aussehende Sänger im bewegenden Achtminüter „It's o.k. John Joe“ über Leben und Liebe und seine Probleme damit räsoniert, fragt man sich, wie man so lange ohne diese wunderbare Band und ihren schräg-charmanten Frontmann auskommen konnte.
Manchmal reichen Erfahrung und Charisma aber nicht aus - dann müssen für ein großes Comeback helfende Hände hinzukommen. Bei Bobby Womack (68) waren das Damon Albarn, der umtriebige Kopf von Blur und den Gorillaz, sowie der Labelchef und Top-Produzent Richard Russell.
Sie schrieben und arrangierten mit dem lange drogenabhängigen und schwerkranken Womack für sein erstes echtes Studio-Album seit Mitte der 90er Jahre einige hochklassige, reduzierte Soul- und Gospel-Songs, die ohne den derzeit so hippen Retro-Touch auskommen (obwohl Pop-Diva Lana Del Rey mitsingt). Und siehe da: „The Bravest Man In The Universe“ ist ein Musterbeispiel dafür, wie ein Altmeister in der Moderne ankommen kann, ohne seinen Markenkern aufzugeben.