Conor Oberst: Gereiftes Rock-Wunderkind

Berlin (dpa) - Er gilt schon länger als größtes Talent der amerikanischen Rockmusik. Mit 31 ist das Pop-Wunderkind Conor Oberst jetzt unüberhörbar erwachsen geworden: Das neue Album seiner Band Bright Eyes präsentiert einen gereiften Künstler mit Ecken und Kanten.

Wie viele Songs er seit seinem 13. Lebensjahr bereits geschrieben hat, kann Conor Oberst nur noch schätzen. „Ich habe mal eine Liste mit den ganzen veröffentlichten Stücken gesehen, es waren so viele. Also alles in allem: 500?“, sagt der Sänger, Multi-Instrumentalist, Kopf mehrerer sehr unterschiedlicher Bands und Label-Boss, den viele für eines der wenigen Genies der heutigen Rockmusik halten. Nicht nur in punkto Fleiß wird er gern mit Bob Dylan oder Bruce Springsteen verglichen.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur erweist sich Oberst als sympathisch-selbstbewusster Gesprächspartner, den seine gut 15 Jahre im Musikbusiness noch nicht abgenutzt haben. Soeben ist mit „The People's Key“ das siebte Studioalbum seiner wohl wichtigsten Band Bright Eyes erschienen, just am Tag des 31. Geburtstags. „Thirtywon-derful“ lautet das Wortspiel des weiterhin sehr jungenhaft wirkenden Künstlers über sein Alter und sein derzeitiges Befinden.

Er hat ja auch Grund zu guter Laune: „The People's Key“ wird von Kritikern wieder überwiegend als Meisterwerk des Alternative Rock gefeiert, und wie seine Vorgänger „Cassadaga“ (2007) oder „I'm Wide Awake, It's Morning“ (2005) ist das Album nicht nur ein Thema für kleine Fan-Zirkel. Conor Oberst hat sich daran gewöhnt, dass seine Platten in den Hitlisten auftauchen - in den USA weit oben, in Europa noch auf den mittleren Rängen (Charts-Einstieg in Deutschland in dieser Woche auf Platz 41).

Dabei hat er sich für das neue Album eine Mixtur ausgedacht, die vom melodieseligen Americana-Folkrock der vergangenen Jahre bewusst abrückt und es den Hörern nicht auf Anhieb leicht macht: Zwischen geschmeidige Gitarrenpop-Songs streut er keyboardlastige, wuchtige Rock-Brocken, Soundcollagen und die gesprochenen Monologe eines New-Age-Predigers namens Danny Brewer. „Er ist ein guter Freund, den ich bei Plattenaufnahmen nahe der mexikanischen Grenze kennenlernte. Seine schamanischen Geschichten, die manche als Verschwörungstheorien abtun, wollte ich unbedingt auf der Platte haben.“

Nicht jedermanns Sache sind wohl auch Obersts eigenen philosophisch-spirituell aufgeladenen Texte auf „The People's Key“. Dass manche Rezensenten sie recht spinnert finden und deswegen den Daumen senken, belastet ihn nicht: „Darüber kann ich mir keine Gedanken machen. Ich habe schon immer die nettesten Dinge über mich gelesen, aber eben auch weniger Gutes. Letztlich kommt es doch darauf an, dass ich selbst mit meiner Arbeit zufrieden sein kann.“

Keine Frage: Neue Songs wie „Shell Games“ oder „Beginner's Mind“ dürften den eigenen Qualitätsmaßstäben mehr als nur genügen. Die mit typisch bebender Stimme gesungene Piano-Ballade „Ladder Song“ gehört zum Besten, was Conor Oberst in seiner schon recht langen Karriere geschaffen hat. Das groovende „One For You, One For Me“ erzeugte auch beim restlos ausverkauften Club-Auftritt von Bright Eyes im Berliner Lido vor wenigen Tagen einen unwiderstehlichen Sog - als Live-Musiker ist der früher eher verzagte Sänger aus Omaha (US-Bundesstaat Nebraska) ebenfalls hörbar gereift.

Kaum vorstellbar, dass diese fantastische Studio- und Konzert-Band um den harten Kern Conor Oberst/Mike Mogis/Nate Walcott mit „The People's Key“ ihr letztes Album abgeliefert haben soll, wie es der Songwriter vor einiger Zeit ankündigte. Im dpa-Gespräch auf seine Auflösungspläne für Bright Eyes angesprochen, ist sich Oberst schon nicht mehr so sicher: „Das will ich erstmal offen lassen. Aber es kann ja auch eine andere Art der Zusammenarbeit mit diesen Musikern geben.“