„Elisabeth“ küsst den Tod - Musical in Hamburg umjubelt
Hamburg (dpa) - „Aber warum, Lucheni, warum haben Sie die Kaiserin ermordet?“, fragt die Stimme aus dem Off. „Ich habe sie ermordet, weil sie es wollte!“, antwortet Lucheni aus dem Reich der Toten und findet auch mehr als 100 Jahre nach seiner Tat im Jahr 1898 keine Ruhe.
Sissis Attentäter (gespielt von Kurosch Abbasi) führt in den nächsten zweieinhalb Stunden als markanter Erzähler durch das Musical „Elisabeth - Die wahre Geschichte der Sissi“, das am Freitagabend im Mehr! Theater am Großmarkt umjubelte Hamburg-Premiere feierte. Noch bis einschließlich 27. März dieses Jahres gastiert die Show in der Hansestadt.
Anders als in den „Sissi“-Filmen mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm ist der Stoff weitestgehend vom Kitsch befreit - was gerade für ein Musical recht ungewöhnlich ist, vielleicht aber auch den Erfolg begründet: Die Produktion wurde in sieben Sprachen übersetzt und schaffte es bis nach Südkorea. Die beiden Musical-Autoren Michael Kunze und Sylvester Levay, die bei der Hamburger Premiere anwesend waren, wollten mit ihrem 1992 in Wien uraufgeführtem Musical ein historisch unverfälschtes Stück über die Kaiserin von Österreich-Ungarn schreiben.
So wird Sissi auf der Bühne als selbstbestimmte, freiheitsliebende und durchaus egoistische Frau gezeichnet, die immer mal wieder Todessehnsucht verspürt. Gespielt wird sie von Roberta Valentini, einer gebürtigen Nürnbergerin italienischer Herkunft. Sie singt ihr Solo „Ich gehör nur mir“, das wohl bekannteste Lied des Musicals, nicht nur mit Eindringlichkeit, sie bringt auch die Tragik der modernen Frau in der verkrusteten Welt der Monarchie überzeugend rüber.
Neben der unstetigen Beziehung zu ihrem Mann Franz Joseph (Maximilian Mann) pflegt sie den spannungsgeladenen Flirt mit dem Tod, dessen Rolle glanzvoll von Mark Seibert verkörpert wird. Auch Sissis Sohn Rudolph erliegt dem Charme des „schwarzen Prinzen“, der ihm nach ausgiebigem Tanz die Pistole an die Schläfe führt.
Die Umsetzung besticht durch tolle Ideen, wenn beispielsweise das hungernde Volk aufmuckt und einen Tanz mit klappernden Milchkannen darbietet. Einprägsam ist auch die Kaffeehaus-Szene, in der Tische und Stühle wie Autoscooter über die Bühne kreisen. Franz Josephs kontrollsüchtige Mutter Sophie galoppiert mit einem umgeschnallten Pferde-Korpus über die Bühne.
Ikonenhaft ist die Szene, in der Sissi im weißen, besticktem Kleid und mit Blüten in den dunklen langen Haaren in einem Bilderrahmen Platz nimmt. Auf rotgoldenen Engelflügeln fahren Sissi und Franz Joseph bei ihrem ersten Liebesduett „Nichts ist schwer“ bis unters Hallendach. Und die silberne Brücke, über die die Protagonisten immer mal wieder laufen, ist der scharfen Klinge des Messers nachempfunden, mit dem Elisabeth schließlich ermordet wird.
Der wahre Star des Stückes ist aber die Musik. Bei keiner Zeile von Kunze hat man das Gefühl, sie wäre nur dazu da, um einen Reim aufzufüllen. Seine Texte bringen Handlung und Charaktere wirklich nach vorne. Komponist Levay hat dazu zahlreiche poppige Ohrwurm-Melodien geschrieben, von denen besonders „Die Schatten werden länger“, „Wenn ich tanzen will“, „Wenn ich dein Spiegel wär“, sowie die dann doch etwas kitschige Ballade „Boote in der Nacht“ im Gedächtnis bleiben.