Folkrock aus Kanada: Half Moon Run und Evening Hymns
Berlin (dpa) - Fast unerschöpflich erscheint mittlerweile das Reservoir feiner Folkrock-Bands aus Kanada. Im dünn besiedelten Nachbarland der USA ist die Talentdichte ähnlich hoch wie in Schweden. Aktuelle Beispiele: Half Moon Run und Evening Hymns.
Schon „Dark Eyes“ (2012), das Debüt des Quartetts HALF MOON RUN aus Montreal, begeisterte viele Indie-Folk-Fans so nachhaltig, dass das gefällige, noch etwas unterproduzierte Album in Frankreich, Belgien und den Niederlanden in die Charts gelangte. Nun setzt „Sun Leads Me On“ (Glassnote/Caroline/Universal) auf diesem Achtungserfolg auf.
Breiter angelegt, vielfältiger sind die 13 neuen Songs, die Gitarren klingen markanter, der Gesang beherzter. Und ein rhythmisches Pop-Stück wie „Consider Yourself“ mit schönen Klavierpassagen und herrlichen Harmony-Vocals zeugt von wachsendem Mut zum Risiko.
Dass das Zweitwerk von Half Moon Run in Kalifornien aufgenommen wurde, hört man nicht nur manchen Balladen in Seventies-Westcoast- und Softpop-Manier wie etwa „The Debt“ deutlich an. Sondern auch in den wunderbaren Beach-Boys-Anklängen von „Hands In The Garden“, einem der Höhepunkte des Albums.
In einigen Tracks sind die vier talentierten Kanadier womöglich noch etwas zu nah bei den Fleet Foxes, und den zaudernden Elektro-Folk-Ausflug mit „Trust“ hätte man sich sparen können. Aber den guten Gesamteindruck von „Sun Leads Me On“ trübt das nicht.
Weiterentwickelt aus einem eher hermetischen Sound haben sich auch EVENING HYMNS aus Ontario, das Projekt von Jonas Bonnetta. Hatte er auf „Spectral Dusk“ (2012) in getragenen Slowmotion-Folkrock-Liedern noch den Tod seines Vaters verarbeitet, so lässt er nun auf „Quiet Energies“ (Tin Angel/Indigo) ebendiese ruhige Energie und mehr Sonne zu.
Auch das neue Evening-Hymns-Album entstand in Kalifornien, wo Bonnetta sich von der berühmten Joshua-Tree-Wüste inspirieren ließ. Dabei kam ein im Vergleich zu früher deutlich aufgeräumteres, treibenderes Werk heraus, dem man durchaus ein wenig anhören kann, dass sich der Kanadier wie behauptet für Tom Petty begeisterte.
Aber vor allem sind es weiterhin The National oder My Morning Jacket, deren Einflüsse der Hörer spürt. Gute Vorbilder also für eine sehr gute, diesmal überraschend Pop-nahe Folkrock-Platte - man höre nur das supereingängige Westcoast-Juwel „House Of Mirrors“.
Half Moon Run spielen zwei Konzerte in Deutschland - im Vorprogramm tritt die ebenfalls aus Kanada stammende Band The Franklin Electric auf, die auf ihrem Debütalbum „This Is How I Let You Down“ eine Menge seelenvoller und melodischer Midtempo-Songs versammelt hat.
Tourdaten: 6.11. Köln - Luxor, 10.11. - Berlin - Lido