Geblendet von praller Lebensfreude
Die Wombats bleiben mit ihrem zweiten Album dem Motto „Ein Hit jagt den anderen“ treu. Nur diesmal noch detailverliebter.
Düsseldorf. Sie gelten in der Szene als angepasst, zuvorderst, weil sie an Paul McCartneys Liverpool Institute of Performing Arts (LIPA) studiert haben. Alles, was nach Kaderschmiede klingt, ist dem eingefleischten Pop-Fan per se nicht geheuer. Jedoch: Betrachtet man den Werdegang der Wombats genauer, merkt man, dass da Individualisten am Werk sind. Und zwar welche, die wissen, was sie tun.
Ihr erster Live-Auftritt an der Akademie im Jahr 2003 belegt das, als sie in Fantasiekostümen einfach irgendeinen Quatsch fabrizierten und ihnen die Kommilitonen trotzdem zujubelten. Oder der Bandname, den sie als gerade frisch geformtes Trio spontan einem PR-Menschen zuriefen, der wissen wollte, wie sie heißen.
Auch die lange Pause, die sie sich nach ihrem Debüt „A Guide To Love, Loss & Desperation“ (2007) gegönnt haben, spricht dafür, dass die Band um den künstlerischen Kopf Matthew Murphy sich nicht um Branchenkonventionen schert. Normalerweise werden Newcomer, die einen furiosen Start hinlegen, zu schnellen Nachfolgealben gedrängt. Fast alle heiß gehandelten Gitarrenbands der Nullerjahre, seien es die Kaiser Chiefs, die Arctic Monkeys oder Maximo Park, haben sich mit dieser „Mindestens alle zwei Jahre“-Schlagzahl in die Belanglosigkeit verheizt.
Nun war es nicht so, dass nicht auch auf die Wombats ein ähnlicher Druck ausgeübt wurde. Doch er ging ins Leere. Ermüdet vom zweijährigen, fast ununterbrochenen Tourleben wollten Murphy nur düstere Melodien und melancholische Texte einfallen, die die Plattenbosse als unverkäuflich ablehnten. Ganz unrecht hatten sie mit dieser Einschätzung nicht. Mit dem Erstling konnten sich die Wombats als Rampensau-Kombo mit Ohrwurm-Verve etablieren. Diesem Feuerwerk an tanzbaren Tracks konnte keine gedankenschwere Elegie folgen.
Der Grund für Murphys neu entdeckten Weltschmerz war die Entwöhnungsphase von seinen Antidepressiva. Als der Erfolg 2007 einsetzte und der eher schüchtern veranlagte Musiker einen Weg zu mehr Genussfähigkeit suchte, verschrieb ihm ein Arzt geringe Dosen, die sich im Laufe der Tour-Zeit sukzessive erhöhten. Die Erfahrungen mit der legal verabreichten Droge hat Murphy in „Anti-D“ verarbeitet, ein Song, der als Gegenentwurf zur bleiernen, wenngleich betörenden Gleichförmigkeit von The Verves „Bitter Sweet Symphony“ gesehen werden kann.
Auch bei „Anti-D“ schwingen sich dramatische Streicher zu einem Klangteppich in Moll auf, die eigentliche Melodie allerdings geht in Dur über. Den Ärzten gibt Murphy in seinem Text in erster Linie die Schuld, weil sie Substanzen verabreichen, die abhängig machen.
Vor allem textlich wächst der 26-Jährige über sich hinaus: Bereits auf dem Debüt glänzten die kompakten Songs mit intelligenter Ironie. Wenn er nun auf „This Modern Glitch“ (zu deutsch: diese kleine Panne) beispielsweise davon singt, dass eine Romanze ihn dazu bringt, seine musikalischen Überzeugungen über Bord zu werfen („Techno-Fan“), oder man, um dem tristen Alltag zu entkommen, bisweilen schäbige Dinge unternimmt („Jump Into The Fog“), ist das sprachgewaltig und trotzdem griffig. Pop als Therapie. Nicht umsonst hält sich die Personengruppe auf dem Cover das Bild einer Couch vors Gesicht.