Jazzfestival in Viersen: Zauberklänge zur Mitternacht
Stars wie Till Brönner und Kyle Eastwood begeisterten beim 23. Festival in Viersen die Zuhörer.
Viersen. Glücksmomente mit Gänsehaut-Faktor gibt es viele beim 23. Viersener Jazzfestival. Etwa als Till Brönner zu seiner zweiten Zugabe ansetzt und, in blaues Scheinwerferlicht getaucht, allein am Fender-Rhodes Piano das langsame "Bein’green" anstimmt. Da geht es auf 1.30 Uhr zu, doch von Müdigkeit kann bei den Besuchern in der Festhalle keine Rede sein.
Oder als Barbara Dennerlein in der Kreuzkirche beim Auftaktkonzert ihre Zuhörer zu "Spiritual Movements" auf der Orgel in Klangwelten entführt, die von sakraler Erhabenheit und Weite geprägt sind, wie es eben nur auf einer Orgel in einer Kirche möglich ist.
Oder als Kyle Eastwood bei seinem Auftritt das von ihm komponierte getragene Thema zu "Letters from Iwo Jima" spielt, jenem unter die Haut gehenden, Oscar-gekrönten Antikriegs-Drama seines Vaters, der Hollywoodlegende Clint Eastwood.
Begeisterung spricht nicht nur aus den Gesichtern der Besucher, sondern auch der Veranstalter. "In diesem Jahr ist der Vorverkauf besser gelaufen, als der Verkauf an der Abendkasse", freut sich Organisator Tobias Kremer. Während für den Freitag mehr als 850 Karten verkauft wurden, ist der Samstag mit über 1000 Besuchern deutlich ausverkauft.
Der künstlerische Leiter Ali Haurand hat ein Programm organisiert, das keine Wünsche offen lässt. Schon als Organistin Barbara Dennerlein in der Kreuzkirche zunächst an der Kirchen- und später an der Hammond-Orgel das Festival einläutet, zeigte sich mit einem Blick in die vollen Kirchenbänke, dass der Wunsch der Veranstalter, das Festival aus der Festhalle in die Stadt zu tragen, auf Anhieb gelungen ist.
"Es ist toll organisiert. Ich freue mich richtig, dass so viele Leute Gefallen an diesem Festival finden", spart die zierliche Künstlerin aus Bayern darum auch nicht mit Lob, und löst mit Stücken wie "Samba and the Drum Stick" Begeisterungsstürme und stehende Ovationen aus.
Für die Traditionalisten bietet die Bigband des WDR mit der packenden Stimme von Cecile Verny einen Rückblick auf das musikalische Vermächtnis der Sängerin Billie Holiday, der jedoch alles andere als eine Reise zurück in die Zeit des Bebop ist. So erklingen Stücke wie "You’ve changed" oder die Ballade "My Man" in einem völlig neuen musikalischen Gewand.
Pech haben die Musiker von Habana Sax aus Kuba. Nachdem schon das Quartett Oregon mit mediterran-meditativem Fusionjazz die Zuhörer musikalisch in sonnige Gefilde entführt hat, verzögert sich der Umbau auf der Bühne, so dass der letzte Auftritt mit einer halben Stunde Verspätung nach Mitternacht beginnt. Auch wenn die Musik spritzig und frisch daherkommt wie ein minziger Mojito-mit jedem Song lichten sich die Sitzreihen im großen Saal mehr. "Das ist wirklich schade", zeigt sich Ali Haurand am Tag darauf denn auch zerknirscht.
Dafür startet der Samstag stark und mit etwas Lokalkolorit im weitesten Sinne. Die Brüder Roman und Julian Wasserfuhr aus Hückeswagen sorgen auf der kleineren Bühne im Studio bereits um 19 Uhr für ein volles Haus. Weitsichtig ist für diesen Fall vorgesorgt: Eine Kamera überträgt das Geschehen auf der Bühne, ein Projektor wirft es auf die Wand im Vorraum des Studios, während im Innenhof entspannt geplaudert werden kann.
Von dieser Atmosphäre lässt sich auch Kyle Eastwood anstecken. Der mittlerweile in Paris lebende Bassist aus Kalifornien spielt energiegeladene Funkjazz-Stücke wie "Metropolitain" oder "Rue Perdue" aus seinem aktuellen Album. Später bummelt er mit seinen Bandmitgliedern durch die Hallen. "Klar hab ich schon vom Viersener Festival gehört", erklärt er. "Aber wenn du hier bist, ist es ganz anders. Es ist hoch professionell und trotzdem familiär."
Zu einer Familienfeier macht Till Brönner seinen Auftritt: Der Wahlberliner ist gebürtiger Viersener. "Sie sind deutlich mehr Personen als bei einer Familienfeier", sagt er. "Doch für mich fühlt sich das genau so an."
Vom ersten Augenblick an nimmt der Klang von Brönners Trompete die Zuhörer mit auf eine musikalische Zauberreise ins Land des Bossa Nova. Sein Auftritt mit der hervorragenden fünfköpfigen Band bildet den späten Höhepunkt des Festivals in Viersen.