Rap: Jamie T - „Dylan hat mein Leben ruiniert“
Der 23-jährige Jamie T wird seit zwei Jahren als neues Wunderkind der britischen Hip-Hop-Szene gehandelt. Zu Recht!
Düsseldorf. Jamie T ist Englands neuer Shootingstar. Doch trotz des Kults, der um ihn betrieben wird, zeigt sich der trocken rappende Songschreiber aus Wimbledon unbeeindruckt und bescheiden.
Statt nach dem Erfolg seines Debüts "Panic Prevention" eitle Worte zu spucken, bleibt er auf dem Boden und nimmt sich anderthalb Jahre Zeit für die Arbeit an seinem zweiten Album.
Gemeinsam mit Freund und Produzent Ben Bones pendelte der 23-Jährige zwischen seiner Gartenlaube und dem modernen Aufnahmestudio Moloko im Osten Londons, um Songfragmente zu vervollständigen, die er während seiner Tour auf Handy aufnahm.
Den Druck des berüchtigten "zweiten Albums", an dem viele Talente scheitern, wich Jamie T, der mit vollem Namen Jamie Treays heißt, gekonnt aus.
Der junge Mann, dessen Songs den Puls einer Generation verunsicherter Jugendlicher treffen, ist sich der Fallen bewusst und beweist Hellsicht: "Wenn man sein Debüt aufnimmt, beschließt jeder, dass du diese zwölf Tracks BIST, und dass sie alles sind, was du kannst", sagt er.
"Da kommen einem natürlich Gedanken wie Denen werde ich es zeigen. Ich kann auch ganz anders.’ Was ebenfalls kompletter Blödsinn ist. Man muss einfach weitermachen, dann kommt die Entwicklung schon von ganz allein."
Und so überspringe er ein Album im Geiste und mache gleich beim dritten weiter. Neue Einflüsse suchte Treays in Genres wie Folk, dessen Elemente auf einigen Stücken von "Kings & Queens" deutlich zu hören sind. "Ich durchlief eine Akustikphase.
Dabei entdeckte ich auch Bob Dylan. Das hat mein Leben für eine Weile ruiniert." Mit positiven Folgen. Denn Dylans Inspiration keimte in Treays Ursprungsstil, der von Punk, Hip-Hop und Jungle beeinflusst wurde.
Angefangen mit der Musik hat Jamie T Mitte 2006. Im Alleingang nahm er die EP "Betty And The Selfish Sons" auf und gründete sein Label Pacemaker Recordings. Auftritte vor Freunden wurden bald so beliebt, dass sie sich rumsprachen und weitere Leute anzogen.
Via Myspace gab sich der Künstler ein Image, nannte seinen Stil "Bang Bang Anglo Saxons at the Disco" und machte sein erstes Album - schräg und widersprüchlich der Sound, schief und ungeschönt gerappt und deshalb auch so authentisch. Das brachte auch den Durchbruch. Die erste Single "Sheila" stieg auf Platz 22 der britischen Charts und die Folge-Single "If You Got The Money" toppte den Erfolg mit Platz Nummer 13.
Wer an Rap denkt, dem fallen zwangsläufig glitzernde Goldkettchen und markiges Gehabe ein, doch davon ist Jamie T weit entfernt. Sein Sprechgesang kommt aus der Gosse, behandelt Themen wie durchzechte Nächte, finanzielle Probleme, Beziehungspech oder Großstadtfrust und wagt dabei viel mehr als der immer mehr abflachende Hip-Hop, dem der Sänger selbst nicht mehr viel abgewinnen kann.
Heute weniger denn je, wie er meint. Schwarze Rhythmen bestimmen zwar den Beat seiner minimalistisch und roh klingenden Nummern. Jedoch lernt Jamie T an der Quelle, lässt sich inspirieren von afrikanischen Straßenmusikern sowie US-Hardcore, Drum ’n’ Bass, Grime, Rock ’n’ Roll, Ska und Punkrock von Bands wie The Clash oder den Beastie Boys. In seinen Texten würdigt er gar Größen wie Billie Holiday und Bill Haley.
"Ich sehe mich eher als Fan denn als Mitglied einer Geheimgesellschaft, die bei Konzerten an der Tür zum Backstage-Bereich abhängt. Ich hasse es, wenn Leute so tun, als ob sie niemals die Musik von einem Künstler gehört hätten, nach dem sie ganz offenkundig klingen."
Vergleiche zu The Streets alias Mike Skinner passen da eher ins Bild und werden seiner Richtung gerecht. Damit das auch so bleibt, hat er ein essentielles Ziel, dessen Erreichen ihm nur zu wünschen wäre:
"Es gibt Künstler, denen wir ihre Entwicklung zutrauen und erlauben", so Jamie T, "und ich möchte mir das Recht erarbeiten, auch so einer zu sein." Wenn er es jetzt nicht schon ist.