Jan Delay: „Beim Texten muss ich alleine sein“
Mit seinem ersten Album hat Jan Delay „in Sachen Funk noch nicht alles gesagt“, meint er. Und schiebt „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ nach. Es ist ein knalliges Déjà Vu.
Köln. "Und es ist hart, so hahahart - im Showgeschäft." Jan Delay singt diese Zeile auf seinem neuen Album. Er weiß, wovon er spricht. Der Interviewtermin findet um 15.30 Uhr statt, für eine halbe Stunde im Kölner Dom-Hotel. Der vorherige Kollege braucht noch ein paar Minuten, wird man vertröstet. Man fühlt sich wie im Wartezimmer des Arztes, in freudiger Erwartung auf den Satz: "Der Nächste bitte."
Irgendwann geht es raus auf den riesigen Balkon. Es ist schwül-heiß. "Das wievielte Interview ist das heute?" "Das siebte", lacht er. Er zündet sich eine selbst gedrehte Zigarette an. "Wird einem der ganze Rummel eigentlich nicht irgendwann zu viel?" "Absolut. Es gibt Tage, da denkt man daran, fast durchzudrehen."
Sein neues Album heißt "Wir Kinder vom Bahnhof Soul". Schon wieder ein Wortspiel-Titel wie beim letzten Werk "Mercedes Dance", mit dem er vor drei Jahren Platz eins der deutschen Charts eroberte. Gab es Druck von außen oder wieso entstand eine neue Platte? "Den Druck mache ich mir selbst. Das Umfeld und die Öffentlichkeit können mir gar nicht so einen großen Druck machen. Außerdem ist mit der ersten Platte in Sachen Funk noch nicht alles gesagt", erklärt er.
Jan Delay wirkt lässig entspannt, angezogen im HipHop-Style, weite Hose, blaues Cappy, farblich passendes T-Shirt. Anzug, Hemd, Krawatte und Hut, also sein Bühnen-Outfit, sind weit und breit nicht zu sehen. Mit HipHop fing bei ihm ja auch alles an. Absolute Beginner, später verkürzt auf Beginner, hieß die Rap-Band, die er mit Denyo und DJ Mad in den 90ern gründete und die durch ihre teils witzigen, teils politischen Texte auffiel. Damals hieß er noch Eizi Eiz, abgeleitet von seinem Namen Jan Philip Eißfeldt.
So nennt ihn heute aber niemand mehr, selbst die Mutter nicht. "Sie nennt mich Eißfeldt und ich nenn’ sie auch Eißfeldt." Vor 33 Jahren in Hamburg-Eppendorf geboren, lebt er noch heute in der Stadt an der Elbe, an die es ihn jedoch selten zieht: "Ne, lieber die Alster." Da trifft man ihn schon mal beim Joggen oder beim Texten. "Ich ziehe mich beim Schreiben immer zurück, haue auch manchmal ab in ein Hotel in Hamburg. Beim Texten muss ich immer alleine sein."
Eine Wespe nähert sich dem bereit stehenden Obstteller, leichte Panik steigt auf, aber nicht bei Jan Delay. "Hey, bleib ruhig und fang’ mal an zu chillen." Er macht es vor, legt langsam die Beine hoch, zieht genüsslich an seiner Zigarette und lebt seinen Namen - Delay heißt Verzögerung.
Die erste Singleauskopplung "Oh Jonny" stieg direkt weit oben in den Single-Charts ein, ähnlich dürfte es beim neuen Album laufen, vermuten viele. Delay klopft auf Holz, "dazu sage ich nichts, da bin ich abergläubisch". Doch sein Grinsen verrät ihn. Ein Lied heißt "Hoffnung", eine Mut machende Ballade mit Zeilen wie "und wenn du denkst, es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo diese Mucke her und die sagt dir, dass alles besser wird".
Er selbst hört in schlechten Momenten Prince und Stevie Wonder, aber auch mal Michael Jackson. "Als ich von seinem Tod hörte, hatte ich eine Live-Sendung im Radio. Das war echt schlimm. Ich habe dann nur noch Michael Jackson-Songs gespielt. Er war der größte Popmusiker aller Zeiten. Vor zehn Jahren habe ich noch gesagt, das sind die Beatles, vor 20Jahren Public Enemy. Die Beatles sind auch immer noch die größten Musiker aller Zeiten, aber Michael ist der Größte, was meine Musik angeht."
Seine Art von Musik ist eine besondere Mischung aus Funk, Soul, Rap und Reggae. Noch fünf Minuten, lautet jetzt die Ansage. Der Nächste wartet schon. Also schnelle Fragen und Antworten. Entspannung findet er nicht beim Sport ("das ist nur der Ausgleich zum Texten"), sondern an einem freien Tag. Dann schläft er aus, besucht Freunde und "halte sie von der Arbeit ab". Ob er sich die eigene Musik anhört? "Ne, das ist so, wie Charlotte Roche es auch schon sagte - als würde man sein eigenes Sperma trinken."
Im Herbst geht es auf Tour. Gibt es einen Ort, an dem er gerne spielen möchte? Er überlegt lange, sehr lange sogar. "Im Apollo Harlem Theater in New York, denn New York ist für mich die derbste Stadt der Welt." Nicht in Hamburg? "Und in der Color-Line-Arena natürlich", schiebt er nach. Ein hartes Geschäft? Jan Delay lacht zum Abschied.