3OH!3 - Zwei Hip-Rocker im Flirtrausch
Kennengelernt haben sich Nathaniel Motte und Sean Foreman an der Uni, wo sie 2007 das Projekt 3OH!3 aus der Taufe hoben. Ihre Botschaft: Spaß. Ihre Triebfeder: Ironie.
Düsseldorf. Nathaniel Motte ist ein großer Fan von Seal. Oder eben auch nicht. So ganz steigt man nicht dahinter. Sicher ist nur, dass Motte, die Beat gebende Hälfte der Elektronik-Hip-Rocker von 3OH!3, in Interviews den zum Klum-Ehemännchen degradierten Ex-Star gerne als Universalantwort auf sämtliche abgedroschenen Standardfragen aus dem Munde einfallsloser Journalisten gibt: Wer ist dein musikalisches Vorbild, wird Motte von einem Internet-Reporter gefragt, und seine Antwort ist Seal. Wessen Show Motte und sein Band-Partner Sean Foreman gerne als Vorgruppe eröffnen würden, fragt ein Radiomoderator, und wieder kommt wie aus der Pistole geschossen: Seal. Welchen Song Motte gerne unter der Dusche singt, will schließlich ein Fanzine-Redakteur wissen. Ganz klar: "Kiss from a Rose", Seals größten Hit aus dem Jahre 1995.
Die versteinerte Miene, die Motte in diesen Momenten aufsetzt, lässt erahnen, dass er das höchstwahrscheinlich nicht ganz ernst meint mit dieser fast schon kultischen Verehrung. Alles andere wäre auch nur schwer vorstellbar: Denn Seal ist rein musikalisch das genaue Gegenteil von dem, was Motte und Foreman als 3OH!3 seit zwei Jahren verkörpern. Auf der einen Seite die gelackte Soul-Ballade für Abschlussbälle und Hotelfahrstühle, auf der anderen die entfesselte Bühnenanarchie mit feisten Beats, wummernden Synthies und ziemlich anzüglichen Texten. Schnittmenge: keine. Seal dient also eher als Inbegriff all dessen, was 3OH!3 nicht sein wollen. Sobald sein Name fällt, tendiert dementsprechend auch der Wahrheitsgehalt aller anderen Antworten, die Motte und Foreman geben, gen Null.
Deswegen ist es auch schwierig zu rekapitulieren, wie sich der schlaksige Motte und der zwischen schüchtern und gehässig grinsende Foreman einst kennenlernten. Fest steht immerhin, dass beide aus Boulder stammen, einer knapp 100000 Einwohner zählenden Gemeinde im äußeren Speckgürtel Denvers, dort, wo sich über der Vorstadt-Skyline die schneebedeckten Gipfel Colorados erhaben erheben. Die Postleitzahl ist hier 303, was dem Bandprojekt auch seinen Namen gab. Kennen lernten sie sich an der Uni, die sie mittlerweile erfolgreich abgeschlossen haben. "Ich sah Nathaniel in einem gemeinsamen Physikkurs", schildert Foreman das erste Zusammentreffen in einem Interview, "und wäre ich nicht hetero, würde ich behaupten, ich war verknallt."
Dieses bewusste Spiel mit Klischees, das sie im Umgang mit der Presse hegen, macht auch ihre auf den ersten Blick extrem einfältigen Texte verständlicher. Hauptsächlich geht es bei 3OH!3 darum, dass sich irgendjemand möglichst schnell seiner Klamotten entledigen soll, damit man ohne größere Umschweife zur Sache kommen kann. Betrachtet man diese leicht brachial erscheinenden Aufrufe zur Körperlichkeit genauer, merkt man, dass es sprachlich ausgefeilte Verballhornungen dessen sind, was gemeinhin als Hip-Hop- oder Rocker-Attitüde bekannt ist. Bei Kid Rock, Eminem oder Limp Bizkit käme niemand auf die Idee, ihnen Frauenfeindlichkeit vorzuwerfen, weil Machismen zu ihrem Berufsprofil gehören. Stellen sich allerdings zwei Akademiker auf die Bühne und rappen von Zungen, die sich beim Knutschen verknoten, ist der Aufschrei groß. Ironie ist eben nicht jedermanns Sache.
Motte und Foreman lassen diese Anfeindungen kalt. Mit Recht. Ihre Texte haben ihnen dazu verholfen, dass auf den Covern ihres Debüt-Albums ein Warnhinweis prangt, der vor expliziter Sprache warnt. "Das wollten wir auch", sagt Foreman. "Alben, auf denen dieser Sticker klebt, sind für Kids grundsätzlich interessanter." Ergo: bringen mehr Kohle. Wieder müssen beide grinsen.
Es erklärt auch den immensen Erfolg ihrer ersten Single. "Don’t Trust Me", eine wild mit Vocodern und Synthie-Beats fuchtelnde Party-Hymne, fuhr in den USA Doppel-Platin (zwei Millionen verkaufte Einheiten) ein, sicher nicht nur, weil der Song ein ziemlich hartnäckiger Ohrwurm ist, sondern auch, weil das eine oder andere Wort darin fällt, das Sittenwächter dunkelrot anlaufen lässt.