Ruhrtriennale: Der Punk-Gott macht in Hochkultur

Iggy Pop und Tine Kindermann - ein gelungenes Experiment in Duisburg.

Duisburg. Es ist ein kaum denkbares Ambiente für ein Konzert mit Iggy Pop: Im Hintergrund ein dezent in lila Licht getauchter Industriekomplex nebst eines Kronleuchters, vor der Bühne die Zuschauer in wohlgeordneten Sitzreihen, vom Veranstalter mit Decken gegen die aufziehende Kälte ausgestattet. Iggy Pop war am Wochenende zu Gast bei der Ruhrtriennale in der Gießhalle im Landschaftspark Duisburg-Nord.

Dass dieser Auftritt ein bisschen anders werden könnte als ein durchschnittliches Punkkonzert, war zu erwarten. Er wurde es dann zum Glück nur teilweise. Als Iggy, der "Godfather of Punk", die Bühne betritt, eröffnet er den Abend gemeinsam mit Tine Kindermann, einer Sängerin, die das Vorprogramm mit deutschen Volksliedern aus fünf Jahrhunderten gestaltet hatte. Die Themen, die den Abend zusammenhalten, sind "Liebe und Tod".

Es geht ruhig zu vor fast ausverkauftem Haus, das französische Chanson "Les feuilles mortes" und "I want to go to the beach" eröffnen den Abend - Songs, die sich auch auf Iggy Pops jüngstem Album "Préliminaires" finden. Der Punk-Gott macht in Hochkultur. Und eine Weile sieht es so aus, als sei das Werfen einer Wasserflasche vor die Bühne alles, was von der Attitüde des Punk noch übrig ist. Bis Tine Kindermann nach drei Liedern die Bühne verlässt. Denn Iggy hält das nicht lange durch.

Bei "King of the dogs" fängt er an zu bellen und hebt sein Bein, als sei er tatsächlich dieser König und nun in der Nähe eines Baumes. Bei Lied Nummer sechs, "Sixteen", fängt er an, sich auszuziehen, schickt ein paar vulgäre Gesten gen Publikum und beginnt, seine markante Stimme ins Schreien driften zu lassen. Prompt erheben sich die ersten Zuschauer von ihren Sitzen und pilgern vor die Bühne. Es werden schnell mehr.

Und Iggy, mittlerweile ja auch schon 62 Jahre alt, mit ledrigem Oberkörper und deutlich sichtbaren Adern, ist in Bestform. Er tanzt, wenn man das so nennen kann, zappelt über die Bühne, spielt den Angebeteten und Gebieter seiner Fans. Perfektioniert hat er die ironische Brechung, die seinen Auftritt kennzeichnet. Alles an ihm zeigt und sagt, dass er sich und die Aufmerksamkeit genießt. Er braucht das. Und seine Fans wollen das.

Stets folgt dann eine jedoch flapsige Geste oder ein ironisches Grinsen. "Nehmt mich nicht ernst, ich tue das auch nicht", sagt seine Mimik - so macht er sich unangreifbar. "I’m sick of you", zunächst etwas gesetzt dargeboten, endet in einem dieser wunderbar ironischen Punk-Momente: Iggy steht mit dem Rücken zum Publikum, bewegt sich, wie nur er das vermag, wackelt mit dem Gesäß, vollführt mit der linken Hand wilde Gesten, während er einem Fan ein Mikrofon hinhält, der nach Lust und Laune hinein schreit.

Die Band macht Krach und Iggy lässt sich feiern. Alles läuft nach Plan. In der Band überzeugt vor allem Marc Ribot, der die Gitarre spielt und als musikalischer Leiter auch alten "Iggy and the Stooges"-Hits wie "Search and destroy" und "Gimme danger" neue Aspekte abgewinnen kann, ohne sie zu sehr zu verfremden. Ein ausgemachtes Talent ist der Schlagzeuger Ches Smith, der aussieht, als hätte er das Abitur noch vor sich, aber spielt, als hätte er jahrelange Touren mit Iggy Pop hinter sich.

Nach "Gimme danger" dann wieder einer dieser Brüche, die den Abend kennzeichnen. Das Publikum ist in Feierlaune, aber der Song bricht abrupt ab. Dann beginnt aus dem Nichts Jacques Brels "Ne me quitte pas". Keiner schreit mehr, keiner zappelt - die Gemeinde lauscht dem Chanson andächtig. Und der Punk zeigt seine weiche Seite. Iggy Pop pendelt weniger zwischen Liebe und Tod, sondern zwischen Romantik und Aggression.

Tine Kindermann, die zu Beginn des Konzerts neben der Legende noch etwas überfordert wirkte, steigt souverän wieder ein. Und singt danach als Zugaben noch "Lili Marleen" und "Es geht ein dunkle Wolk’ herein" mit dem ruhigen Iggy. Ein lohnenswertes Experiment. Es folgt ein stilvoller Abschied mit wieder erkennbar ironischen Dankesbekundungen, Verbeugungen und einer kleinen Runde über die Bühne.

Nebst dem Satz, der eigentlich Elvis gehörte und der weitere Zugabe-Hoffnungen der Zuhörer enttäuscht: "Iggy Pop hat das Gebäude verlassen". "The Passenger" gab es nicht, zuvor hatte Iggys wohl zweitgrößter Hit, "I wanna be your dog", den Abend beendet. Dass er diesen mit Tine Kindermann gesungen und teilweise eingedeutscht hat, war dann auch das Einzige, was es an diesem Abend nicht unbedingt gebraucht hätte.