Sommerliche Ohrwürmer Katy Perry erfindet sich neu

Berlin (dpa) - Es ist fast zehn Jahre her, dass Katy Perry „I Kissed A Girl“ gesungen hat. Das gab ein bisschen Aufregung, wow, ein Frauenkuss in der Popmusik. Musikalisch war es ihr Durchbruch.

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Es dürfte seitdem kaum einen Club oder ein Fitnessstudio auf dieser Welt geben, die noch nicht von Perrys stadiontauglichen Hits beschallt wurden. Jetzt gibt es mit ihrem neuen Album „Witness“ wieder eine Reihe von Kandidaten für sommerliche Ohrwürmer, darunter „Chained To The Rhythm“.

Ein Katy-Perry-Kurs für Anfänger: Sie spielt in einer Liga mit Lady Gaga, Miley Cyrus und Madonna. „Firework“, „E.T.“ und „Roar“ sind große Hits. Ihr Album „Teenage Dream“ wird in einem Atemzug mit Michael Jacksons „Bad“ genannt. Bei Twitter hat die 32-Jährige fast 100 Millionen Anhänger, mehr als Justin Bieber und Barack Obama. Als ihre Rivalin gilt Taylor Swift, mit der sie, wie ein Talkshow-Moderator sagte, noch einen „Beef“ auf dem Grill hat - also im Clinch liegt.

Musikalisch hat die Pastorentochter aus Kalifornien einige Stile abgegrast - Gospel, Poprock, Dance. Ihre neue Single „Bon Appétit“ ist wieder cleverer Dance-Pop, dazu drehte sie ein sexy Video, in dem sie sich im Kochtopf räkelt. Auch Melancholisches ist dabei: Bei „Save As Draft“ denkt man an den Moment, an dem man eine gefühlvolle E-Mail nicht abschickt. Für die Single „Swish Swish“ arbeitete sie mit Rapperin Nicki Minaj zusammen.

Wenn man Perrys Stimme und Zuckerpop mag, funktioniert ihre Musik wie „Pixar“-Kinofilme für alle Altersgruppen. Die Erwachsenen freuen sich über die laszive und ironische Inszenierung, Kindern können einfach rumhüpfen.

Bei ihrem letzten Album „Prism“ (2013) hatte Katy Perry gerade die Trennung von Comedian Russell Brand hinter sich. Und jetzt? Hat sie sich wieder neu erfunden, wie es so schön heißt. Die Haare trägt sie jetzt blond und kurz. Daran müssen sich manche Fans noch gewöhnen.

Zum Interview im Berliner Soho House kommt Perry mit rosa-weißem Sommerkleid und Turnschuhen. Sie ist freundlich, konzentriert, ein Profi. Wie jemand, der auf einer Tour der Boss von 100 Leuten sein kann. Ungeschminkt erkenne sie niemand, beim Aufwachen sehe sie aus wie eine Kartoffel, erzählt sie. Und ja, sie sei ein Kontrollfreak. „Das muss ich lernen: die Zügel loszulassen.“

Katy Perry hat im US-Wahlkampf 2016 Hillary Clinton unterstützt. Die Trauerphase ist für sie vorbei. Sie ist gespannt, welche Kräfte Clintons Niederlage freisetzt. „Sie hat einen schlafenden Riesen geweckt.“ Ihr neues Album sei in mehrfacher Hinsicht eine Befreiung, mental, sexuell und auch eine Befreiung von Negativität. Den Albumtitel „Witness“ („Zeuge“) erklärt sie so: „Wir wollen alle einfach gesehen und gehört werden.“

Der Terroranschlag beim Konzert von Ariana Grande in Manchester hat sie „am Boden zerstört“. Bei Twitter schickte sie danach eine Trauerbotschaft an die Welt und an „Ari“, mit der Perry befreundet ist. Sie wünsche ihr das Beste, sagt sie im Interview. Grande und ihre Fans hätten jetzt eine Menge zu verarbeiten.

Perry zählt zu der Generation von Musikern, die ihre Karriere mit Hilfe der sozialen Medien gemacht haben. Was sie postet, bekommt eine gigantische Aufmerksamkeit. Viele Millionen Menschen sehen es. Perry weiß, wie süchtig das macht. „Können Sie sich die Art von Bewunderung vorstellen, die jemand wie ich bekommen kann, indem er nur einen Knopf drückt - und gleichzeitig auch den Hass? Da gibt es nicht nur Blumen, Glück, Regenbogen und Einhörner.“ Sie erlebe Positives wie Negatives. Künftig will Perry das Handy auch mal auslassen.

Gerade wäre es schlecht für eine Netzpause. Sie muss das Album bewerben. Abends hat Katy Perry in Berlin ein Treffen mit Fans. Die finden sie bodenständig und nahbar. Wie man die Stimme aufwärmt? Mit Olivenöl gurgeln, empfiehlt Perry bei einer Fragerunde. Ihr Leben sei ein ständiger Lernprozess. „Falls ich mal alles wisse, bin ich wahrscheinlich tot.“ Die Fans bekommen auch eine feministische Botschaft von Perry: Frauen könnten sehr wohl ihre Meinung mal ändern, und das liege dann nicht daran, dass sie gerade ihre Tage hätten.