Neues Album der Ärzte

Mit „Jazz ist anders“ produzieren die Ärzte ihr erstes Album seit vier Jahren. Es bietet köstlichen Wortwitz und musikalische Perfektion. Für die Gestaltung ihres neuen Albums haben sich die Ärzte wie auch schon in der Vergangenheit etwas Besonderes einfallen lassen. Die CD liegt in einer Box, aufgemacht wie ein Pizzakarton.

<strong>Düsseldorf. Was Ärzte ganz besonders mögen, sind Laiendiagnosen und haltlose Kurzanamnesen selbst ernannter Spezialisten. So sahen sich auch die Berliner Ärzte, gemeinhin bekannt als "beste Band der Welt", in den vergangenen Wochen einem Deutungsinferno ausgesetzt. Ob dies ihr letztes Album sei, ihr Verhältnis untereinander nur noch rein geschäftlich funktioniere, sie sich politisch nicht mehr äußern wollten Die ganze Litanei an Fragen, die sich gedankenschwere Poptheoretiker ausdenken, ohne richtig hinzuhören. Vor allem auf die Antworten, die Farin Urlaub, Bela B. und Rod González bereitwillig gaben. Um es kurz zu machen: Auflösungserscheinungen hat es gegeben, jedoch eher im therapeutischen Sinne. Sie hätten sich nicht mehr viel zu sagen gehabt, deswegen auch die verhältnismäßig lange Spanne von vier Jahren seit ihrem letzten Studioalbum "Geräusch". Und was die Frage anbelangt, angeblich nicht mehr politisch sein zu wollen, dem seien die Texte neuer Songs wie "Tu das nicht", "Lied vom Scheitern" oder einfach nur die saukomische Phrasencollage ihrer ersten Singleauskopplung "Junge" ans Herz gelegt. Aber, wie üblich, wenn Ärzte etwas Unangenehmes aussprechen, blendet man die wesentlichen Stellen aus. Dabei wäre es durchaus wichtig, genauer hinzuhören und sich nicht nur über ihre massenkompatiblen Fingerübungen wie "Westerland" oder "Ein Schwein namens Mann", besser bekannt als "Männer sind Schweine", zu amüsieren. Würde man sich nämlich immer wieder vor Augen führen, mit welch musischem Wortwitz und welcher Virtuosität die Ärzte muttersprachlichen Pop produzieren, gäbe es die lästige Forderung nach einer deutschen Quote in hiesigen Hörfunkprogrammen nicht mehr.

Die Praxisgemeinschaft funktioniert perfekt

Leider ist den meisten die Perfektion des Punk-Trios immer nur dann bewusst, wenn sie neues Material veröffentlichen. Danach setzt das Vergessen ein, schnell und erbarmungslos. Anders ist es nicht zu erklären, dass holprige Thekenlyriker wie Die Toten Hosen mit ihnen kommerziell in einer Liga spielen. So sind die Ärzte, schon um sich von den drolligen Düsseldorfer Edelpunkern abzugrenzen, auf Gedeih und Verderb zu Maßarbeit verdonnert. "Jazz ist anders" macht da keine Ausnahme.

Die Band: Gegründet 1982 in Berlin von Jan Vetter (Farin Urlaub), Dirk Felsenheimer (Bela B.) und Hans Runge (Sahnie), entwickelte sich das Punkt-Trio zunächst zum Schreckgespenst bildungsbürgerlicher Eltern, die den derben Nonsens für staatszersetzend hielten. Seit ihrem Doppel-Live-Album "Nach uns die Sintflut" (1988) zählen sie zu den kommerziell beständigsten Bands Deutschlands. Im gleichen Jahr trennten sie sich von Bassist Sahnie. Nach einer vierjährigen Pause kehren sie mit Rod González am Bass zurück.

Das Album: Für die Gestaltung ihres neuen Albums haben sich die Ärzte wie auch schon in der Vergangenheit etwas Besonderes einfallen lassen. Die CD liegt in einer Box, aufgemacht wie ein Pizzakarton. Auf der "Extra-Tomate", einer Mini-CD, finden sich drei Bonustracks. Sperrige Vokabeln wie "Pflegeleicht" im coolen Soulkontext wie selbstverständlich zum Refrainmittelpunkt erstarken zu lassen, können eben nur die Ärzte. Ein Kunstfehler will ihnen nicht unterlaufen.