Norah Jones: Neues Album "Not too Late" - Zahnlos in den Mainstream
Mit ihrem dritten Album knüpft Norah Jones nahtlos an die Vorgänger an. Leider. Ihre Musik ist so wohltuend wie ein Entspannungsbad – und genauso einschläfernd.
<strong>Düsseldorf. Nein, mit gewöhnlichem Pop will diese Dame nichts zu tun haben. Elektronischer Sound findet in ihren Songs so wenig Platz wie verzerrte Gitarren oder donnernde Drums. Wohltemperierter Schönklang bestimmt die Welt der Norah Jones. Wer ihre Alben auflegt, der wird durch nichts aus seiner gepflegten Ruhe gerissen. Norah Jones - das ist so wohltuend wie ein langes Entspannungsbad: Die Muskeln werden locker, die Sorgen verschwinden und wohlige Schläfrigkeit übermannt den Zuhörer. Überraschungen und Gefühlsausbrüche sind der 27-Jährigen fremd, die 2003 mit ihrem Debüt-Album "Come Away With Me" für Aufsehen sorgte. Selten waren sich Kritiker wie Käufer bei einer Platte so einig: Acht Grammys, zwei World Music Awards, ein Echo und ein Brit-Award sowie mehr als 18 Millionen verkaufte Exemplare brachte ihr diese durchkomponierte Wohlfühlmusik ein. Es war genau das, worauf Millionen von Menschen gewartet zu haben schienen: ruhige Songs mit Jazzeinflüssen, die niemanden vor den Kopf stießen, Rhythm & Blues, intim produziert, ein Anachronismus zu all den künstlichen Sounds. Ende Januar veröffentlichte Mrs. Jones ihr drittes Werk "Not too late", das musikalisch nahtlos an die beiden Vorgänger anknüpft - auch wenn sich die Tochter des Sitar-Spielers Ravi Shankar hier erstmals mit selbst geschriebenen Songs präsentiert.
Folk und Country dominieren die musikalischen Einflüsse
Viel hat sich im gewohnten Jones-Universum nicht getan. Absolut jeden einzelnen der hier versammelten Tracks könnte man problemlos auf ihre beiden Vorgänger-Alben schmuggeln, auffallen würden sie nicht. Auch, wenn sie ihren Songs in homöopathischen Dosen zu einer Frischzellenkur verhilft. Die songschreiberischen Einflüsse von Folk und Country dominieren zunehmend das akustische Erscheinungsbild, der Jazz tritt mehr und mehr in den Hintergrund. Was der Massenkompatibilität ihrer Lieder aber überhaupt keinen Abbruch tut. Nachdem sie auf dem Vorgänger "The Long Way Home" von Tom Waits coverte, geht sie heuer einen Schritt weiter und adaptiert dessen Rumpel-Rhythmen und dissonante Querverweise für sich. Das Ergebnis "Sinkin’ soon" spielt mit einer entschärften Version des großen Nonkonformisten, spiegelt eine Sehnsucht nach Schicksal und Erfahrung wider - und offenbart dabei deutlich die große Schwäche der jungen Frau, wie sie auch schon im Duett mit Dolly Parton ("Creepin’ in") zutage gefördert wurde: Ihrer hübschen Stimme mangelt es bei aller Virtuosität an Tiefe, an Lebenserfahrung und Gebrochenheit. Sie ist so glatt und hübsch wie ihr Äußeres, ihr unauffälliges Auftreten oder ihre Musik, und das kann ihr somit auch nichts Spannendes verleihen. Auf ihren Stimmbändern liegt kein Körnchen Seelenstaub. Hinter der hübschen Fassade wartet nirgends ein Abgrund. Lieder über den Untergang wirken aus diesem Mund nicht nur unglaubwürdig, sondern unfreiwillig komisch.Was einerseits sympathisch ist, definiert bei Norah Jones ihre Charakterlosigkeit: Der Erfolg ist ihr bescheiden peinlich, ihr Privatleben hält sie brav aus den Schlagzeilen, Glamour bleibt ein Fremdwort wie auch Skandale und Party-Exzesse. Kein Makel trübt das Image des netten Mädchens von nebenan.
13 Songs im ausgewogenen Verhältnis zwischen Blues, Jazz, Folk und Country versammeln sich auf dem Album. Der Titel "Not Too Late" bleibt im Ungefähren. Wahrscheinlich ist Amerika gemeint oder auch die Welt oder das Klima. "Es ist nie zu spät, Dinge besser zu machen", erklärt sie vage.
Höhepunkte des Albums sind der verpennte Blues "Until the End" oder das wehmütige "Thinking about you", was mit Bläsern, Orgel und elektrischem Piano an Ray Charles erinnert. Der Song ist eine Rückbesinnung auf frühere Tage - hier tröpfelt der von ihr mittlerweile mehr und mehr vernachlässigte jazzige Einschlag durch.
Wong Kar-Wai, chinesischer Kultregisseur, engagierte Norah Jones als Hauptdarstellerin für seinen neuen Film "My Blueberry Nights". In ihrem Filmdebüt spielt die Sängerin neben Größen wie Jude Law, Natalie Portman, Rachel Weisz und Tim Roth eine junge Frau auf der Suche nach dem Mann fürs Leben.
Bassist Lee Alexander ist Lebens- und Arbeitspartner von Norah Jones. Mit ihm zog sie sich in ein Landhaus zurück, um die neuen Songs reifen zu lassen. Das Studio befand sich in der Wohnung, wo sie mit Freunden zusammen die Stücke einspielten.
Deutsche Popmusik ist der in New York lebenden gebürtigen Texanerin kaum ein Begriff. Darauf angesprochen erinnert sie sich an ein Lied mit "Luftballons" von Nena. "Und neulich war ich in Paris und da sprachen viele von so lustigen Jungs aus Deutschland. Heißen die Tokio Hotel oder so?"