Den Sorgen zum Trotz Orchester im Kongo spielt Beethoven und Orff
Kinshasa (dpa) - Am Anfang waren ihre Instrumente rar und selbstgebaut, die wenigsten hatten zuvor Geige oder Flöte gespielt, und klassische Musik ist ohnehin nicht sehr populär in der Demokratischen Republik Kongo.
Dennoch fanden sich Straßenverkäufer, Näherinnen oder Schlachter in der von Krisen und Armut gezeichneten belgischen Ex-Kolonie zum einzigen Symphonie-Orchester Zentralafrikas zusammen. Nach Jahren harter Arbeit begeistern die Musiker des Orchestre Symphonique Kimbanguiste de Kinshasa längst auch in den USA oder Großbritannien und bekamen bereits erste Preise.
„Das Orchester vermittelt eine Botschaft der Hoffnung“, sagt der Dirigent Armand Diangienda. Der frühere Pilot hatte selbst nie Musikunterricht, spielt aber fünf Instrumente, kann Partituren lesen und komponiert. 1994, noch zu Zeiten des langjährigen Diktators Mobutu Sese Seko, gründete er das Orchester. Der Name stammt von der christlichen Sekte, die Diangiendas Familie ins Leben gerufen hatte. Ein stilles Gebet geht jedem der Auftritte der in grün und gold gekleideten Musiker voraus.
Die Mehrzahl der heutigen Orchestermitglieder begann ihre Laufbahn als Amateurmusiker. Die wenigen Profimusiker brachten den anderen das Spiel auf den Instrumenten bei. Dabei gab es zuerst nur zwei Geigen, die unter den 30 Violinisten die Runde machten. Ein deutscher Dokumentarfilm hielt 2010 die aufwendigen Proben für ein großes Konzert zum Unabhängigkeitstag des Kongos in der Hauptstadt Kinshasa fest - spätestens seitdem gehört etwa Carl Orffs „Carmina Burana“ zum Repertoire der derzeit etwa 150 Musiker und Sänger. Auch Ludwig van Beethovens „Neunte Symphonie“ oder Maurice Ravels „Boléro“ zählen zum Programm.
Die Stücke von Bach bis Mozart spenden Trost und bieten eine Auszeit von der harten Wirklichkeit in dem an Diamanten reichen Land, wie viele der Musiker erzählen. „Die Musik lässt mich all die politischen und persönlichen Probleme vergessen und den Moment leben“, sagt etwa die 28-jährige Violinistin Dauphine Mata.
In dem seit 1960 von Belgien unabhängigen Land regiert Präsident Joseph Kabila seit 17 Jahren und hat mehrfach Wahlen verschoben. Im Osten rivalisieren zahlreiche bewaffnete Gruppen um Macht und Einfluss. Das UN-Welternährungsprogramm warnt seinerseits vor einer Hungerkrise. Es gibt Millionen Vertriebene; Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten, Vergewaltigungen und Gewalt sind weit verbreitet. Nun tauchte auch noch das gefährliche Ebola-Virus auf und führte zu ersten Todesfällen.
All dies scheint weit weg, wenn sich die Musiker zur wöchentlichen Probe in der Millionenstadt Kinshasa im Haus des Dirigenten versammeln. „Danach aber kommt wieder alles zurück - all die täglichen Mühen, allein schon, um ein Transportmittel zu finden“, erzählt Mata. Vieles hat sich für die Musiker aber verändert, seit das durch Spenden und Konzerteinnahmen finanzierte Orchester internationale Anerkennung erfuhr. Geigerin Mata etwa kann mittlerweile von der Musik leben.
Im Kongo selbst gibt das Orchester auch immer wieder Gratiskonzerte - doch das Interesse ist auch deshalb verhalten, weil viele klassische Musik mit der kolonialen Vergangenheit verbinden. In Übersee indes spielen die Musiker oft vor gut gefüllten Konzertsälen. Und das gefällt wiederum auch im Kongo: „Jedes Mal, wenn wir in der Welt herumreisen, freuen sich die Menschen in unserer Nachbarschaft, dass wir ein anderes Bild vom Kongo vermitteln“, sagt Dirigent Diangienda.