Pop: Nicht mehr zuckrig, eher würzig
Mit den Sugababes verbuchte Mutya Buena sechs Jahre lang einen Charterfolg nach dem anderen. Zwei Jahre nach ihrem plötzlichen Ausstieg meldet sich die 22-Jährige solo zurück.
London. Es war 1997: Drei 14-jährige Freundinnen in London beschlossen, eine Girlband zu gründen. Nichts Außergewöhnliches in diesem Alter, denkt man. Doch Mutya Buena, Keisha Buchanan und Siobhán Donaghy schlossen sich nicht zu einer x-beliebigen pubertierenden Mädchentruppe zusammen. Aus ihnen wurden die Sugababes, einer der erfolgreichsten Pop-Exporte Großbritanniens überhaupt.
Mit Liedern wie "Push The Button" und "Round Round" stürmten sie weltweit die Charts und füllten die Konzerthallen. Bereits ihre erste Single "Overload" und das Debütalbum "One Touch", beide aus dem Jahr 2000, erlangten auch in Deutschland Top-Ten-Status. Drei Teenager schrieben Erfolgsgeschichte.
Doch schon bald nagte der Ruhm an den Mädchen. Bereits ein Jahr nach Veröffentlichung des ersten Albums wurde Siobhán Donaghy, das undurchsichtig ätherische Aushängeschild der Band, durch Atomic Kitten- Sängerin Heidi Range ersetzt. Drei Jahre später kriselte es wieder im Haus der Zuckernixen: Gründungsmitglied Mutya Buena schied aus der Band aus. Es benötigte nur wenige Stunden, und auch sie war ersetzt - durch Amelle Berrabah. Zeit ist Geld im Musikbusiness.
Das war 2005. Inzwischen ist Mutya Buena Mutter einer kleinen Tochter und lebt mit ihrem langjährigen Partner in ihrer Heimatstadt Kingston. Ausgeruht meldet sie sich mit einem Soloalbum zurück, der programmatische Titel "Real Girl" lässt auf neu gewonnene Abgeklärtheit schließen. Wenn man das Booklet durchblättert, wird eins schnell klar: Buena ist kein kleines pinkes Girlband-Mädchen mehr. Sie trägt ein blaues Abendkleid, auf dem Arm trägt sie ein Tattoo mit dem Namen ihrer Tochter Thalia. In selbstbewusster Pose blinzelt sie in die Kamera. Will meinen: Mutya Buena ist erwachsen geworden und möchte allen beweisen, dass sie es auch ohne die Sugababes schaffen kann.
Einer von vielen Hinweisen darauf dürfte ihre Zusammenarbeit "This Is Not (Real Love)" mit George Michael sein. Der Superstar der 80er und 90er, der sich in vergangener Zeit rar gemacht hat, nahm im Verlauf seiner bald 30-jährigen Karriere nur mit drei anderen Sängerinnen Duette auf: Aretha Franklin, Mary J. Blige und Whitney Houston. Alle gestandene Frauen im Musikgeschäft. Ein gutes Omen für Mutya und ihre Solokarriere? Vielleicht.
Aber George Michael war nicht der einzige, der die Sängerin bei der Arbeit zu ihrem Debüt unterstützte: Die Boulevard trächtige Soulsängerin Amy Winehouse sang mit ihr "B Boy Baby" ein, und für die Funknummer "Song 4 Mutya (Out Of Control)" holte sich Buena das hochgelobte House-Duo Groove Armada mit ins Boot.
Mit "Real Girl" bewegt sich die Engländerin weg vom Popmäuschen-Image und setzt deutliche Akzente hin zum R&B. Ihre Idee war, das Album möglichst roh und ungeschliffen klingen zu lassen. Ihre Stimme sollte dadurch deutlicher und authentischer zur Geltung kommen, getreu ihren musikalischen Vorbildern aus jungen Jahren, Mariah Carey, Whitney Houston oder TLC.
Verantwortlich für ihre musikalischen Einflüsse macht Mutya Buena übrigens auch ihre Familie: Schon früh kramte die Sängerin in der Plattensammlung ihres philippinischen Vaters und kam in Kontakt mit Künstlern wie Black Sabbath und T.Rex. Diese eher retrolastige Rock-Schiene wurde durch ihre Geschwister ergänzt: "Ich hatte einen Bruder, der auf HipHop stand, einen Bruder, für den Jungle alles bedeutete, einen, der auf Garage-Sounds abging, und dann kam ich, die immer R&B und House-Musik hörte. Insofern liegt es doch auf der Hand, warum ich mich ohne Probleme zwischen den musikalischen Stilen bewegen kann", sagt die Sängerin.
Für sie gab es momentan nur einen Grund, sich wieder ins Studio zu stellen: Sie wollte die Gefühle für ihre zweijährige Tochter zum Ausdruck bringen.
Kurzkritik Mit der ersten Singleauskopplung "Real Girl" aus Mutya Buenas erstem gleichnamigen Soloalbum ist schon fast alles gesagt. Der Song handelt von jemandem, der keine Sekunde seines Lebens bereut und auch keine Angst vor der Zukunft hat. Der Rückgriff auf den schrammeligen Easy-Listening-Klassiker von Lenny Kravitz in den Samples ist frech wie logisch: "It Ain’t Over, Til’ It’s Over", vorbei ist es erst, wenn es wirklich vorbei ist. Und für Buena fängt jetzt erst alles an. Das Debütalbum der Engländerin besticht durch seine Vielseitigkeit. Zum einen finden sich Ohrwürmer wie das bereits erwähnte "Real Girl" oder das mitreißende "Just A Little Bit". Mit dem "Song 4 Mutya (Out Of Control)", einer Zusammenarbeit mit der Groove Armada, haucht sie dem monotonen Dance-Beat, für den sie noch mit den Sugababes stand, einen raueren, lasziveren Charakter ein.
Highlights Ihre Heimat ist der R&B: "Breakdown Motel" oder "It’s Not Easy", beide schrieb Buena für ihre Tochter, werten ihre Stimme ungeahnt auf.