Popstar Tim Bendzko: „Ich will den Erfolg genießen“
Senkrechtstarter Tim Bendzko über sein neues Album, das Finale der Champions League und sein neues Leben als Popstar.
Berlin. Tim Bendzko ist ein Mann von bemerkenswerter Gelassenheit. Sitzt brav im Büro seiner Managerin in Berlins Mitte am Tisch, trinkt Limo und gibt so dermaßen gern und bereitwillig Auskunft über sein Schaffen, dass aus der anvisierten halben Gesprächsstunde fast eine ganze wird. Man hat ja auch einiges zu bereden: Der spektakuläre Erfolg seines Debütalbums „Wenn Worte meine Sprache wären“ haben aus dem 28 Jahre alten Berliner Sunnyboy einen der angesagtesten Popstars Deutschlands gemacht. Jetzt muss Tim Bendzko mit seinem zweiten Album „Am seidenen Faden“ beweisen, dass er nicht zufällig dort oben steht.
Herr Bendzko, bemühen Sie sich um Karten fürs Champions-League-Finale in London?
Tim Bendzko: Ich bin ja riesiger FC-Bayern-Fan und stehe auch mit Vehemenz dazu. Aber wenn die Bayern echt gegen Dortmund verlieren, puh, diese Rückreise möchte ich nicht erleben.
Sind Sie so etwas wie der FC Bayern der deutschen Popmusik?
Bendzko: Nein, ich halte den Erfolg, der mir passiert ist, nicht für selbstverständlich oder für eine logische Folge meiner Arbeit. Die Bayern sind mit riesigem Vorsprung Deutscher Meister geworden, doch sie feiern das kaum. Weil sie schon wieder an den nächsten, noch größeren Erfolg denken. Dieses Denken ist mir fremd. Ich will das genießen und zu würdigen wissen, was ich erreicht habe. Ich möchte nicht wie ein Geisteskranker von Erfolg zu Erfolg springen und mir sagen „Wie kann ich das jetzt toppen?“
Sie haben nach Ihrem Triumph also erst mal wild gefeiert?
Bendzko: Nee, das nicht. Wenn ich mal ein paar Tage Zeit hatte, bin ich lieber einfach mit Genuss faul gewesen. Oder ich habe mich endlich, anderthalb Jahre nach dem Umzug, mal um meine neue Wohnung kümmern können, mich mal ein bisschen nett eingerichtet. Und ansonsten habe ich mir einen Traum erfüllt und die Rennlizenz gemacht.
Früher habe ich immer erzählt, falls ich nicht Sänger werde, obwohl ich ja eigentlich mit elf schon wusste, dass ich das mal sein würde, dann werde ich Rennfahrer. Zum Geburtstag habe ich jetzt eine Runde auf dem Lausitzring geschenkt bekommen, allerdings fahre ich da ohne andere Autos, so ein Rennwagen reagiert auf die kleinsten Huckel.
Haben Sie als leidenschaftlicher Hinterfrager denn eine Ahnung, was der Grund für Ihren Erfolg ist?
Bendzko: Nö. Es gab ja mehrere Sänger, die etwa gleichzeitig mit mir am Start waren, in meinem Fall ist das dann wirklich exorbitant durch die Decke gegangen. Das war wirklich verrückt. Ich denke, „Nur noch kurz die Welt retten“ war ein Lied mit großem Aufhorcheffekt. Auch der Satz mit dem „Mails checken“ wurde so richtig zu einem geflügelten Wort. Bei „Mails checken“ müssen die meisten Leute jetzt sofort an mein Lied denken. Es ist ein Wunder, ein Lied zu haben, das so etwas mit den Leuten macht.
Woran haben Sie gemerkt, dass Sie jetzt Teil der Popkultur sind?
Bendzko: Als Otto Waalkes mein Lied coverte und es zur Frage bei „Wer wird Millionär“ wurde. Ich saß nichtsahnend vor dem Fernseher und dachte „Gibt’s doch nicht“. Komisch zu erklären, wie ich selbst zum Zuschauer meines Erfolgs wurde.
Was sind für Sie die Hauptvorteile des Berühmtseins?
Bendzko: Ach, ich muss mich nicht dafür bejubeln lassen, wenn ich irgendwo auf einer Party den Raum betrete. Ich bin von Beruf nicht Prominenter, sondern Sänger. Ein Unterschied zu früher ist, dass man weniger anstehen muss und schneller alles kriegen kann.
Auf dem neuen Album ist mit „Ohne zurück zu sehen“ nur ein richtiges Liebeslied. Sie singen, Sie haben der Frau wehgetan, aber sie will Ihnen nicht verzeihen.
Bendzko: Und selbst das ist in Wirklichkeit kein klassisches Junge-Mädchen-Liebeslied, selbst wenn man es so interpretieren kann. Ich habe beim Schreiben eher an die Beziehung zwischen einem Kind und seinen Eltern gedacht. Kommt das Kind auf die Welt, hast du als Elternteil noch eine weiße Weste. Im Laufe des Lebens passieren dann viele Sachen, die Weste wird unheimlich dreckig, und es kommt der Punkt, an dem es nicht mehr gelingen wird, wieder bei Null anzufangen und die ganzen Sachen zu vergessen. In einer Liebesbeziehung besteht die Lösung oft darin, einen Strich zu ziehen und die Beziehung zu beenden. Bei Blutsverwandtschaften geht das nicht so leicht, so ein Verhältnis wird ja in den seltensten Fällen ganz abgebrochen.