No Filter Rolling Stones begeistern mit großer Show in Hamburg
Hamburg (dpa) - Wer die Rolling Stones schon abschreiben wollte, den haben die Rocklegenden mit einem fulminanten Auftakt ihrer „No Filter“-Europatournee in Hamburg eines Besseren belehrt.
Vor 82 000 Fans zeigten Frontmann Mick Jagger (74), Gitarrist Keith Richards (73) und Gitarrist/E-Bassist Ron Wood (70) sowie Schlagzeuger Charlie Watts (76) unglaubliche Spielfreude und Kondition. Zweieinhalb Stunden ohne Pause dauerte am Samstagabend die musikalische Gala im Stadtpark, und es schien, je länger der Abend dauerte, umso mehr Vergnügen fanden die Altrocker selber daran.
Wie ein rotes Flammenmeer lodert die aus vier Türmen gestaltete gigantische Videowand. Rauch steigt dazu auf, dann kommen die vier Stones um 20.30 Uhr auf die gigantische Bühne - die Show beginnt.
Nach dem Start-Song „Sympathy for the Devil„ gewinnt Mick Jagger das Publikum schon mit dem ersten Satz auf Deutsch: „Moin Hamburg, guten Abend Deutschland!“ Und ein wenig später: „Es ist großartig, nach zehn Jahren wieder in Hamburg zu spielen im wunderschönen Stadtpark.“ Gelächter als er an Pink Floyd erinnert, die 1989 als letzte Musiker vor fast 30 Jahren auf der sonst von vielen Bürgern fürs Kicken, Sonnenbaden oder Grillen genutzte Festwiese spielen durften: „Ich hoffe, dass ihr euch besser benehmt als die Fans von Pink Floyd.“
Und das tun sie. Die Anhänger der Stones sind mit ihren Helden älter geworden, reifere Jahrgänge dominieren, viele haben graue Schläfen oder schütteres Haar. Die Tickets von etwa 100 Euro bis 800 Euro kann sich auch nicht jeder Teenager leisten. Und das Bier kostet im Stones-Plastikbecher mit Pfand acht Euro.
Die Stones liefern ein gemischtes Programm überwiegend aus alten Hits und einigen Bluessongs - dann ist die Bühne stets in blaues Licht getaucht. Ihr jüngstes 23. Studioalbum „Blue & Lonesome“, im Dezember erschienen, bietet ausschließlich Coverversionen von Bluestiteln. Back to the roots, die Stones waren früh vom Blues begeistert und geprägt.
Zu den eigenen Hits, die sie spielen, gehören „Paint It, Black“, „Under my Thumb“, „It's Only Rock'n Roll, (But I like it)“, „Honky Tonk Women“ und „Start Me Up“.
Bei Live-Konzerten wie in Hamburg interpretieren sich die Stones immer wieder selber neu: Diesmal spielen sie besonders erdigen und harten Rock - und das gefällt besonders bei dem ewig in die Länge gezogenen „Midnight Rambler“.
Cool, bewegungsarm steht Keith Richards (wie fast immer mit Stirnband) auf der Bühne, dafür begeistert sein Gitarrespiel. „Der sieht aus wie ein alter Indianer“, sagt Helma (69), eine Konzertbesucherin, die schon 1965 die Stones in Hamburg erlebt hatte. Ron Wood überzeugt genauso wie Richards. Mick Jagger spielt die Mundharmonika mit großer Ausdruckskraft und Bandbreite. Charlie Watts am Schlagzeug scheint die Ruhe weg zu haben.
Als Sänger und Frontmann dominiert Mick Jagger. Unglaublich, wie der 74-Jährige scheinbar ohne jede Ermüdung über die lange Bühne fetzt, in immer wieder neuem Outfit erscheint und das Publikum mit seinen tänzerischen Bewegungen und rhythmischem Händeklatschen zum Mitmachen animiert.
Ein weiterer Star des Abends ist aber die Bühne mit den vier Video-Türmen, deren Optik sich ständig wandelt. Auf Ihnen sind als riesige Livebilder die Musiker mal hautnah zu sehen, wie ihre Finger in die Saiten greifen - überblendet oder unterlegt mit farbigen Szenarien, historischen Bildern oder Popart-Design. Und den satten Sound der Stones bringt an diesem Abend eine hervorragend eingestellte Anlage besonders zur Geltung.
Zum Finale zelebrieren die Stones ihren Welterfolg „Satisfaction“ sechs Minuten lang und geben noch als Zugaben „Gimme Shelter“ und „Jumping Jack Flash“. Nach dem musikalischen Feuerwerk wirkt das richtige pyrotechnische Spektakel zum Abschluss fast ein bisschen blass.