Sebastian Krumbiegel: "Sachsen ist mir zurzeit ein bisschen peinlich"
Die Leipziger Gruppe Die Prinzen geht 2016 auf Tour. Sänger Sebastian Krumbiegel spricht über Pegida-Scham und die Bandfamilie.
Düsseldorf. Seit einem Vierteljahrhundert schreibt die Leipziger Band Die Prinzen gesamtdeutsche Musikgeschichte. Im Mai 2015 erschien ihre elfte Platte „Familienalbum“. 2016 geht es mit „25 Jahre auf Bewährung“ auf Tour. Im Interview spricht Sänger Sebastian Krumbiegel über „Vorzeige-Ossis“, die Scham für Pegida und die Bandfamilie.
Herr Krumbiegel, Sie engagieren sich seit Jahren gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und für Flüchtlinge. Begonnen haben sie damit schon, als das Thema noch nicht täglich die Schlagzeilen beherrschte. Wie erleben Sie derzeit die Situation?
Sebastian Krumbiegel: Mir machen weniger die Flüchtlinge Angst, als die Reaktionen darauf. Mich befremdet total, was gerade abgeht, der Pegida-Wahnsinn in Sachsen und auch die AfD in Thüringen. Gerade als Ostdeutscher finde ich, dass die Leute im Osten, die vor 25 Jahren erlebt haben, wie die Mauer gefallen ist und im Westen mit offenen Armen empfangen worden sind, ziemlich an der Uhr drehen. Das finde ich gruselig.
Als Band aus Leipzig: Wie empfinden Sie es, wenn sich heute Pegida die Montagsdemonstrationen als Vorbild nimmt und „Wir sind das Volk“-skandierend durch die Straßen marschiert?
Krumbiegel: Ich stelle mich dagegen. Wenn ich da bin, bin ich jeden Montag in Leipzig auf der Straße und versuche Kante zu zeigen. Ich habe hautnah erlebt, als in Leipzig die echten Montagsdemonstrationen waren. Wenn ich sehe, dass die Slogans von damals von denjenigen missbraucht werden, die jegliche Empathie und Toleranz vermissen lassen, ist das unsäglich.
Wie beurteilen Sie das Handeln der Politik?
Krumbiegel: In Sachsen sind die Probleme hausgemacht: Die Landesregierung hat sich in den letzten Jahren etwa gegen Nazi-Aufmärsche nicht klar positioniert. Da müssen sich die Verantwortlichen schon fragen, was sie da zugelassen haben. Auf Bundesebene freue ich mich, wenn die Kanzlerin sagt, wir kriegen das hin. Aber man hat das Gefühl, dass sich Merkel, Seehofer und Gabriel den Schwarzen Peter zuschieben statt das eigentliche Problem anzugehen. Ich bin ja kein Idiot und weiß, dass das Probleme gibt, aber man sollte es positiv angehen.
Die Prinzen haben als ostdeutsche Band seit 25 Jahren bundesweiten Erfolg. Nervt Sie der Stempel als „Wiedervereinigungsband“?
Krumbiegel: Wir sind froh aus Leipzig zu kommen. Zurzeit ist mir Sachsen aber ein bisschen peinlich. Ich war gerade in Amerika und sehe da auf CNN „Nazi-Town Dresden“. Da frage ich mich, was hier abgeht. Der Stempel als erste gesamtdeutsche Band hat uns anfangs aber sicher geholfen. Wir waren die „Vorzeige-Ossis“. Im Osten hieß es: „Das sind unsere Jungs.“ Und im Westen hat man gesagt: „Guck mal die Ossis. Wenn die sich Mühe geben, geht es doch.“
Wird man nach 25 Jahren Einheit anders wahrgenommen?
Krumbiegel: Auf jeden Fall. Anfang der 90er wurden wir im Westen noch gefragt, ob wir Autobahnen haben und ob wir nicht alle Russisch sprechen. Mittlerweile ist Leipzig eine extrem hippe, weltoffene Stadt. Das Zusammenwachsen dauert halt eine Weile.
Die Tour 2016 heißt „25 Jahre auf Bewährung“. Das klingt ein wenig nach Strafe. Wie ist der Titel zu verstehen?
Krumbiegel: Man sollte doch froh sein, wenn man nur Bewährung kriegt. Aber man kann es so sehen, dass die 25 Jahre eine Bewährungsfrist waren und wir uns nun wie die Kinder auf das freuen, was noch vor uns liegt.
Auf dem Cover ihres neuen Albums sind Die Prinzen in Mafia-Pose zu sehen. Beim Titel „Familienalbum“ denkt man aber auch an heile Welt. Was für eine Familie sind Die Prinzen? Mafia oder heile Welt?
Krumbiegel: Ich glaube beides. Wir kennen uns seit unserer Kindheit und haben ein familiäres Binnenverhältnis — mit allen Vor- und Nachteilen. Du kennst den Anderen so gut, dass es manchmal schon nervt. Du weißt, wenn der jetzt so guckt, geht er gleich hoch und explodiert. Aber wir kommen damit gut klar und wissen, was wir aneinander haben. Wie in einer Ehe. Und welche Ehe hält heute schon 25 Jahre?
Trotzdem sind seit dem letzten Album sieben Jahre vergangen. Wieso?
Krumbiegel: Wir haben sehr viel live gespielt. Zum Album hat uns in der Zeit einfach nichts getrieben. Wir wollten abwarten und sind mit dem Ergebnis und dem Erfolg sehr zufrieden. Davon waren wir aus den 90ern ziemlich verwöhnt. Dass es wieder in die Richtung geht, ist cool, denn es war ein paar Jahre anders. Jetzt wissen wir: Hey, wir sind noch da und nicht als unsere eigene Oldie-Band, die nur ihre alten Hits spielt. Wir haben eine neue Platte, die Platte ist geil und wir freuen uns auf die Tour — mit alten Hits und der neuen Platte.