Walk Between Worlds Simple Minds wandern zwischen den Welten

London (dpa) - In einem Interview verriet Sänger Jim Kerr kürzlich, was für seine Band Simple Minds eine der größten Herausforderungen ist, wenn sie ein neues Album aufnimmt.

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„Die Fans wollen, dass es klassisch klingt, also wie früher“, erklärte der Sänger mit herrlich schottischem Einschlag dem US-Radiosender WFPK. „Aber wir sollen auch zeitgenössisch klingen, also modern, nach Zukunft.“ Diese musikalische Gratwanderung „zwischen den Welten“ inspirierte die Simple Minds zum Titel ihres 18. Studioalbums „Walk Between Worlds“.

Mit Album und Tournee feiert die Band aus Schottland in diesem Jahr das 40-jährige Jubiläum ihres ersten Live-Konzerts - und auch ihren zweiten Frühling. Das letzte Studioalbum „Big Music“ (2014) wurde von Fans und Kritikern gleichermaßen gefeiert. Das britische Musikmagazin „Mojo“ nannte es „ihr bestes Album seit 30 Jahren“, der „Guardian“ eine „Rückkehr zur Topform“. Die Band konnte es selbst kaum glauben. Auch die Konzerthallen waren zuletzt immer voll, das Unplugged-Album „Acoustic“ (2016) samt zugehöriger Tournee kam ebenfalls gut an.

Darauf ausruhen wollten sich die Simple Minds keinesfalls. Deshalb schlägt die Band mit „Walk Between Worlds“ wieder einen etwas anderen Kurs ein. Schon bevor das Unplugged-Projekt zustande kam, hatten Jim Kerr und Gitarrist Charlie Burchill an neuen Songs gearbeitet. Doch „Acoustic“ habe ihnen einen entscheidenden kreativen Schub gegeben und die Richtung noch mal geändert. Vieles wurde verworfen. „Unser Sound sollte minimalistischer und emotionaler klingen, so als wären wir eine ganz neue Band“, erklärte Kerr zur neuen Platte.

Der Opener „Magic“, zugleich die erste Singleauskopplung, wirkt zwar noch etwas dünn und harmlos. Doch dann geht es los. Das mitreißende „Summer“ drängt sich schon eher fürs Radio auf und wird schnell zum Ohrwurm. „Utopia“ begeistert mit schrägen Synthesizern, die an die New-Wave-Ära erinnern, in der die Schotten sich mit Werken wie „New Gold Dream“ oder „Sparkle In The Rain“ einen Namen machten, bevor der Überraschungshit „Don't You (Forget About Me)“ alles für sie änderte.

Auf ihrem neuen Album kehrt die Band zurück zum frühen Synthie-Sound, der jedoch - ganz im Sinne der von Kerr beschriebenen Fanwünsche - in ein modernes Gewand gesteckt wurde. Besonders gut gelungen ist das bei „The Signal And The Noise“, das auch dank der atmosphärischen Gitarrenklänge von Burchill ein klassischer Simple-Minds-Songs ist. Bei „Sense Of Discovery“ recycelt die Band sogar den Refrain ihres eigenen 85er-Hits „Alive And Kicking“. Das hätte nach hinten losgehen können, klingt aber ganz natürlich und geradezu wunderbar.

Vielleicht der schönste der neuen Songs ist die melancholische, mit Streichern unterstützte Hymne „Barrowland Star“ - mit sechseinhalb Minuten der längste Tracks des Albums. Die Nummer basiert auf einer instrumentalen B-Seite aus den 90er Jahren. Mit Liedern wie „Oh Jungleland“ oder „Waterfront“ besangen die Simple Minds schon früher ihre Heimstadt. „Barrowland Star“ setzt dem Barrowland Ballroom, der legendären Konzerthalle in Glasgow, ein Denkmal. Im Februar wird die Band wieder in ihrer „Lieblingshalle“ (Kerr) auftreten.

„Walk Between Worlds“ unterscheidet sich tatsächlich vom Vorgänger - auch dadurch, dass Schlagzeuger Mel Gaynor erstmals seit 2002 nicht an Bord ist. Statt seiner wuchtigen, stadiontauglichen Drums sind nun überwiegend eher unauffällige, aber treibende Rhythmen zu hören. Das ist nicht unbedingt besser, aber es wirkt sich auch nicht negativ aus. Man darf gespannt sein, wie die Band das live umsetzt.

Auffällig ist außerdem, dass die Simple Minds wieder auf längere Songs setzen statt auf die zuletzt üblichen Drei- bis Vierminüter. Das Album umfasst nur acht Tracks, die aber eine Laufzeit von gut 40 Minuten ausmachen. Das erinnert nicht zufällig an die typische Länge von Schallplatten in den 80er Jahren. „Es ist ein Oldschool Album: die zwei Seiten spiegeln auch die klassische LP wider, mit der wir aufgewachsen sind“, verriet Kerr vorab. „Klasse statt Masse“ lautet wohl das Motto. (Warum es wie heutzutage bei so vielen Künstlern eine Deluxe Edition mit drei zusätzlichen Titeln gibt, bleibt ein Rätsel.)

Auf der Tour, die im Juli und August auch fünf Auftritte in Deutschland beinhaltet, wollen die Simple Minds „Walk Between Worlds“ zumindest bei einigen Konzerten in voller Länge spielen. Kerr und Burchill sind offenbar sehr stolz auf ihr neues Album - und das mit Recht. Wie eine „ganz neue Band“ klingen sie zwar nicht, aber eine gewisse Neuerfindung darf man ihnen durchaus zugestehen. Was jedoch wichtiger ist: Die musikalische Gratwanderung ist gelungen. Die Simple Minds klingen auf „Walk Between Worlds“ richtig gut.

Open-Air Shows 2018: 22.07. Karlsruhe - Das Fest, 25.07. Bonn - Kunst!Rasen, 26.07. Norderney - Summertime @ Norderney, 27.07. Mainz - Summer in The City, 01.08. Meersburg - Schlossplatz