The Notwist: Neue Ufer in Sicht
The Notwist ist im Ausland eine der anerkanntesten deutschen Bands. Mit dem neuen Album geht sie konsequent ihren Weg.
Düsseldorf. Die Scorpions, Rammstein, Tokio Hotel: Die deutsche Musikszene hat nur wenige internationale Aushängeschilder. Ein Name, der oft vergessen wird, ist The Notwist. Dabei hat die Musik der Weilheimer als eine der wenigen internationales Format. Gestern ist das achte Studioalbum der Band erschienen: „Close to the Glass“ (City Slang).
Der Vorgänger „The Devil, You + Me“ wusste 2008 nicht so recht, wo er hin will: auf zu neuen Ufern oder beim Alten verharren? Auch „Close to the Glass“ scheint anfangs unentschlossen — geht aber dann doch einen bestimmten Weg. Die Platte hört sich an, als würde man nach vielen Jahren heimkommen: Man fühlt sich wohl, aber es ist eben doch vieles neu.
Herr Acher, können Sie dieses Gefühl nachempfinden?
Micha Acher: Ja, das hört sich toll an. Mir haben jetzt schon des Öfteren Leute gesagt, dass sie jedes Stück einer anderen Platte von uns zuordnen und alles ein wenig vertraut, aber doch neu ist. Wenn es für die Platte einen Plan gab, dann war es der, Brüche zu haben, einen collagenhaften Charakter zu versuchen.
Das gesamte Album ist in gemeinsamer Arbeit entstanden, heißt es. Schwer zu glauben, wenn man konstruierte Songs wie „Signals“ hört.
Acher: Es gibt immer verschiedene Stücke: die klassischen Kompositionen und die Bastel-Stücke. Bei denen steht eine Idee, ein Beat, und dann fällt einem dazu eine Basslinie ein oder ein anderer Rhythmus, den man einblendet. So arbeitet man über Tage, legt das Stück weg und kommt nach Monaten wieder darauf zurück. Wenn man zu viel an einer festen Komposition gearbeitet hat, freut man sich, wieder wild auszuprobieren.
Wie gehen Sie mit Erwartungshaltungen um?
Acher: Es ist immer ein Grunddruck da, aber im Endeffekt entspricht dieser der eigenen Erwartung. Wir sind auch kritisch uns selbst gegenüber und wollen eine Platte machen, die uns gefällt. Wenn wir damit zufrieden sind, können wir mit dem Druck gut umgehen. Die letzte Platte war für uns schwieriger, weil alle „Neon Golden“ so toll fanden. Dieses Mal waren wir freier.
Sie spielen in zahlreichen anderen Bands. Sind das überhaupt Nebenprojekte für Sie?
Acher: Eigentlich ist es gleichwertig, es ist nur so, dass The Notwist die größte Aufmerksamkeit erfährt und dadurch auch am meisten Zeit beansprucht.
Wie wichtig sind solche Projekte für ein Notwist-Album? Spielen die eine Rolle?
Acher: Auf alle Fälle. Für The Notwist ist es das Wichtigste, dass wir uns in diesen Projekten ausprobieren können. Müssten wir alles, was uns im Kopf herum geht, in The Notwist stecken, dann könnte man sich das gar nicht anhören. Wir hätten wohl auch schon gestritten. Insofern ist es extrem wichtig, dass jeder sein Ding macht. Dann kann man persönliche Vorlieben und Eitelkeiten da rauslassen.
Mehr als 20 Jahre sind Sie jetzt im Geschäft. Wie hat sich das in dieser Zeit verändert?
Acher: Ach, das hat sich schon sehr verändert . . .
Zum Positiven?
Acher: Ich sehe immer beide Seiten. Es ist natürlich ohne Zweifel wirtschaftlich schlecht, wenn die Leute sich kostenfrei Musik runterladen. Andererseits haben wir so viel Positives mit dem Netz erlebt. Wir hatten die Möglichkeit, die halbe Welt zu bereisen und in Ländern zu spielen, in die wir noch nie eine Platte geliefert haben.
Was halten Sie von Streamingdiensten wie Spotify?
Acher: Das sehe ich kritisch. Andererseits kenne ich Tausende, die es nutzen und glücklich sind, alles hören zu können. Ich bin da zwiegespalten und ein Typ, der sich gerne Tonträger kauft. Spotify ist eine extreme Plattform.
Ihre Musik gibt’s da trotzdem. War es mal eine Überlegung, da nicht mitzumachen?
Acher: Darüber haben wir immer mal nachgedacht, aber nie explizit eine Diskussion geführt. Im Endeffekt sind wir froh um Leute, die unsere Musik hören.
Wird es wieder sechs Jahre dauern bis zu nächsten Notwist-Platte? Und: Wird es überhaupt nochmal ein Album geben?
Acher: Wir nehmen uns immer vor, dass das nächste Album schneller kommt, und dann kommt doch so vieles dazwischen. Aber es wird auf jeden Fall noch einmal was kommen.