The Wombats: Der letzte Tanz mit Joy Division

Die Wombats sind mehr als nur eine weitere britische Gitarrenband. Das Trio aus Liverpool singt mit wonnigem Wortwitz und ansteckenden Melodien von Liebe, Verlust und Verzweiflung.

Düsseldorf. Jetzt mal ernsthaft! Noch eine brandneue, saucoole britische Indie-Gitarrenband? Wer soll das denn noch verkraften? Die Kaiser Chiefs brachten 2007 ihr zweites Album raus, genauso wie Maximo Park, die Editors und Bloc Party, dazu debütierten Mumm-Ra und die fantastischen Fratellis, schließlich nicht zu vergessen Pete Dohertys Reha-Grüße mit den Babyshambles. Kurzum: Es war ein Jahr voller getriebenem Gitarren-Verve und blasiertem Cockney-Akzent. Und dann kommen die Wombats, auch noch aus Liverpool, der Geburtstadt dessen, was sich Populärmusik schimpft. Eben eine dieser anmaßenden Postpubertären-Combos mit unbändigem Drang nach Höherem. Und man fragt sich erschöpft: Muss das sein?

Ihr erster Auftritt: ein kalkuliertes Desaster

Es muss! Vielleicht mehr als das meiste, was uns im ausklingenden Jahr an englischen Pop-Hoffnungen so vor die Nase gesetzt wurde. Denn die Wombats mit oben genannten Bands in einen Topf zu werfen, will nur auf den ersten Blick funktionieren. Das illustriert bereits ihr erster Auftritt, 2003 war das, in Paul McCartneys Liverpool Institute of Performing Arts (LIPA), einer Art Pop-Schule, an deren Ende das Entertainment-Examen winkt. Drei der Studenten, Dan Haggis, Matthew Murphy und der Norweger Tord Knudsen, stellten sich mit glöckchenbehangenen Narrenkappen und Sonnenbrillen auf die Bühne und spielten einfach irgendwas, Hauptsache nichts Gescheites. "Sinn des Auftritts sollte es sein, das Ganze bierernst durchzuziehen", bekannte Murphy später in einem Interview. "Wir haben es aber nicht geschafft. Irgendwann brachen wir in schallendes Gelächter aus. Und danach war Stille. Peinliche Stille!" Immerhin: Dem prätentiösen Publikum seine sklavische Hörigkeit gegenüber allem, was sich scheinbar kreativ betätigt, vorzuführen, hat schon mal funktioniert. Bereit, sich den Untiefen des Musikgeschäftes zu stellen, war das bis dato namenlose Trio allerdings noch nicht. Wozu auch? Man hatte gerade das Studium aufgenommen, sich in durchzechten Nächten zusammengerauft und gemerkt, dass Mädchen, Cricket und pseudointellektuelle Pubgespräche mit 19 mehr Spaß machen, als sich über ausgeklügelte Songideen, geschweige denn eine Marketingstrategie, Gedanken zu machen. Erfahrungen galt es zu sammeln, sich dem Dasein zu stellen, in seiner ganzen, überbordenden Banalität. Dieser Luxus, den vom Studentenstatus gedeckten Müßiggang auszuleben, hat sie davor gerettet, zu sendungsbewussten Jungmusikern mit zwingender Botschaft und verschwurbelten Melodie-Experimenten zu mutieren. Deswegen gaben sie sich ihren Bandnamen auch spontan, auf Zuruf vor einem Gig, als der Promoter wissen wollte, wie sie heißen. Thematisch dreht es sich bei Matthew Murphy, dem künstlerischen Kopf der Band, um familiären Weihnachtswahn, schmalzige Kinofilme mit Jude Law - natürlich der Freundin zuliebe - und sexuelle Erweckungsphasen mit schäbigen Stripperinnen. Letzteres ein Ereignis, über das der 23-Jährige nicht gerne spricht. Deswegen singt er lieber drüber. Mit jener jugendlichen, zutiefst zynischen Spracharroganz, die das Erwachsenwerden erst erträglich macht. "A Guide To Love, Loss & Desperation" haben die Wombats deswegen auch ihr Debütalbum genannt, einen Ratgeber zu Liebe, Verlust und Verzweiflung. Quasi eine nachträgliche Vertonung zu Benjamin von Stuckrad-Barres "Soloalbum", jenem Roman, den Ende der 90er jeder halbwegs hadernde Heranwachsende neben seinem Kopfkissen liegen hatte. Bei den Wombats rattern die Bässe, tanzen die Gitarrenriffs, mogeln sich aber auch Bontempi-Orgeln, atmosphärische Synthesizer oder hymnische Kinderchöre in ihre himmelhoch jauchzenden Weltschmerzsymphonien ein. "Let’s Dance To Joy Division", fordern sie folgerichtig auf ihrer ersten offiziellen Single. Lebe den Widerspruch, soll das heißen. Denn nichts scheint unangemessener, als zu den melancholischen Elektronikklängen der New-Wave-Helden zu tanzen, deren Kopf, Ian Curtis, 1980 23-jährig Selbstmord beging. Trotzdem tun es alle. Seit mehreren Generationen. Wer aus dem Vollen schöpfen will, muss hin und wieder die Schwermut zulassen. Das können die Wombats. Zweifellos. Deswegen willkommen im ausufernden Biotop brandneuer, saucooler britischer Indie-Gitarrenbands. Untergehen werden sie nicht. Aber viele andere verdrängen. www.thewombats.co.uk

A Guide To Love, Loss & Desperation

Kurzkritik: Wer sein Album mit frohlockendem A-cappella-Gesang einswingt und mit glockengleichem Pianofalsett sacht ausblendet, muss das Leben lieben. Vor allem, wenn dazwischen vom dröhnenden Saitengewitter ("Dr. Suzanne Mattox Ph.D.") bis zum liebreizenden Fingerschnipp-Marsch ("Little Miss Pipedream") alles hineinpasst, was zum Beinwippen animiert. Anspruch ohne Wehleidigkeit, ein hoher Spaßfaktor ohne schale Oberflächlichkeit. Musik, die einfach nur ansteckend wirkt.

Highlights: "Backfire At The Disco" prescht mit mitreißender Pop-Melodie dorthin, wo vorne ist. "Here Comes The Anxiety" wird als schwärzester Song des Albums angekündigt, wippt aber fröhlich im Ska-Stil.