Zirkus mit Britney Spears: Hereinspaziert und hoppsala!

Zehn Jahre Britney Spears im öffentlichen Bewusstsein – das muss gefeiert werden. Am besten mit einem neuen Album, „Circus“ der Titel.

Düsseldorf. Fünf gewichtige Musikpreise, sämtlich verliehen von MTV, heimste Britney Spears in den vergangenen drei Monaten ein. Jugendlich frisch nahm sie die Trophäen in Empfang. Kurzzeitig geisterte nach diesen Bildern die Meldung durch die Boulevardmedien, es handele sich um eine regelrechte Wiederauferstehung nach dem tiefen Fall, den Miss Spears 2007 vollzog.

In Stichworten sei er noch einmal zusammengefasst: Sauftouren mit Paris Hilton und Lindsay Lohan, Alkohol, weiche Drogen, Fahren im Rausch, Aussteigen ohne Höschen. Dann der Zusammenbruch: Schnipp schnapp, Haare ab, einen Tag Reha plus publikumswirksamer Flucht, der Ehekrieg mit Kevin Federline, der Sorgerechtsstreit um die gemeinsamen Kinder, die Niederlage vor Gericht mitsamt der harten Auflagen. Kurz nach Jahreswechsel, im Januar 2008, der traurige Höhepunkt, als die 26-Jährige sich mit ihren Kindern in ihrem Haus verschanzt und nach mehreren Stunden unter Belagerung von Polizei und Paparazzi auf einer Trage in einen Krankenwagen gehievt wird. Britney Spears hat in zwölf Monaten das Gesamtwerk eines langgedienten Soapautors durchlebt. Wie sollte sie nach diesem geballten persönlichen Elend ernsthaft noch Tritt fassen?

Sie tat es einfach. Mit ihrem zur Schau gestellten Lasterleben belegte sie insbesondere die wichtigste aller Seifenopernregeln, nämlich dass beliebte Figuren sich selbst nach gefühlten 19 Schicksalsschlägen wieder aufrichten, als sei weiter nichts geschehen. Zehn Jahre führt sie bereits ein Dasein in der Öffentlichkeit. Ihren Fans hat sie die letzte amerikanische Jungfrau vorgegaukelt, vor allem, um deren Eltern angesichts ihres zu PR-Zwecken eingesetzten Lolita-Images moralisch stillzulegen. Dann, als ihr Ex Justin Timberlake ausplauderte, dass da mehr gelaufen sei als Händchenhalten, sattelte sie um auf verlottert-verruchte Latex-Domina, was immer noch lukrativ, aber nicht mehr so abnorm erfolgreich war wie die ersten beiden Alben.

Britney Spears hat seit ihrem ersten Erscheinen als schmollmundiges Schulmädchen, 1998 im Clip zu "... Baby, One More Time", immer nur auf das reagiert, was die Weltöffentlichkeit in ihr sah. Ihre Produzenten inszenierten sie als überschminkte Tanzmaus ("Oops, I Did It Again", 2000), als einsamen Jungstar, der am Druck der Medien zerbricht ("Lucky", 2000; "Everytime", 2003) und als wollüstige Femme Fatale ("Boys", 2002). Selbst als sie am Boden lag, ließ man sie den feierwütigen Schluckspecht spielen. Dass das haltlose Getorkel während ihres mittlerweile legendären Auftritts bei den letztjährigen MTV Video Music Awards echter Koordinierungslosigkeit geschuldet war, spielte da keine Rolle. Die Welt bekam Brit, wie die Welt Brit sah.

Nur jetzt nicht. Wo man Demut wähnte, grinst Spears plötzlich wieder ihr makelloses Zahnpastalächeln, beschwört im Clip zur neuen Single den "Womanizer" und kriegt von ihrem Heimatsender MTV, der maßgeblich an ihrer Starwerdung beteiligt war, alle wichtigen Auszeichnungen hinterher geschmissen. Vielleicht als Wiedergutmachung, dass man sie 2007 sehenden Auges ins offene Messer schwanken ließ. Eher aber, weil der kriselnde Musiksender sich im Angesicht des eigenen Niedergangs an den Geschöpfen festhält, die er selbst erschuf. Quasi als trotziger Kommentar zum Liebesentzug der Weltjugend.

Den spürt Britney Spears noch nicht so stark wie ihr medialer Mentor. Die über Netzforen organisierten Massenkäufe ihrer Singles und entsprechend hohe Charteinstiege täuschen allerdings nur oberflächlich darüber hinweg, dass Spears Identitätsprobleme hat. Ihr neues Album klingt wieder wie bunter Teenie-Pop. Während ihre früheren Fans dem langsam entwachsen sein dürften, vergöttert die nachfolgende Generation lieber Katy Perry.